Auswirkungen der Corona-Krise auf die handwerkliche Fischerei in Westafrika

Fischverarbeiterinnen fordern sichere und menschenwürdige Arbeits- und Gesundheitsbedingungen

Cornelia Wilß für Brot für die Welt und Fair Oceans, Juni 2020

„Wenn den handwerklichen Fischern und Verarbeiterinnen nicht schnell geholfen wird, wird der gesamte Sektor schrumpfen“, warnt Micheline Dion. Sie vertritt die USCOFEP-CI (http://uscofep-ci.com) und ihre 14 Frauenkooperativen aus ganz Côte d’Ivoire, die sich zusammengetan haben, um die Situation der Frauen in der Fischerei-Industrie zu verbessern. „Dies wird“, sagt die Aktivistin, „sich auch auf die langfristigen Aussichten für die Ernährungssicherheit des Landes auswirken“.

Seit Mitte März hat die ivorische Regierung – wie alle afrikanischen Länder – im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie nach und nach Maßnahmen ergriffen: Ausgangssperren, Abstandsgebote und das Schließen traditioneller Märkte stellen für die handwerkliche Fischerei, insbesondere für die Frauen, eine große Belastung dar. In vielen Ländern des globalen Südens sind diese Beschränkungen weitreichender als in Deutschland. Da die Gesundheitssysteme in einem deutlich schlechteren Zustand sind, wird versucht die Ansteckungsraten so niedrig wie möglich zu halten.

USCOFEP-CI hat nun einen Aktionsplan vorgelegt, der sicherstellen soll, dass die Frauen in der handwerklichen Fischerei ihrer Beschäftigung unter sicheren Bedingungen weiter nachgehen können, nicht zuletzt „damit für ihre Familien, aber auch für die ivorische Bevölkerung ausreichend Lebensmittel auf den Teller kommen“.

Die Schwierigkeiten beginnen bereits am Hafen. Um Zusammenkünfte von vielen Menschen zu verhindern, wird der öffentliche Zugang zum Hafen stark reguliert. Die Frauen können nur noch alle vierzehn Tage dort Fisch einkaufen, den sie dann weiterverarbeiten und oder selbst auf den Märkten vor Ort anbieten. Sie können es sich nicht leisten, Fisch in großen Mengen zu kaufen, den sie benötigen würden, um den Verarbeitungsprozess zwei Wochen lang aufrechtzuerhalten. Auch besteht das Risiko, dass Fischvorräte verderben, weil die Kühllagerung unzureichend ist.  Die Schließung einiger Märkte und Restaurants macht die Sache noch dazu kompliziert. Immer weniger Gäste besuchen die „garbadrômes“, die Restaurants, die den beliebten verarbeiteten Thunfisch „garba“ servieren. Der Thunfisch bleibt liegen und landet letztlich im Abfall. Die Frauen von USCOFEP-CI schlagen vor: „Wenn die Regierung den Kooperativen einen Kühlwagen zur Verfügung stellen könnte oder wenn sie das verarbeitete Produkt kaufen und an Bedürftige verteilen würde…“, dies ist eine Forderung, die zum Beispiel auch Fischverarbeiterinnen im Senegal, gestellt haben.

Schlimmer noch: Aufgrund der finanziellen Einbußen können die Frauen, die die Ausfahrt der Fischer oftmals vorfinanzieren, auch den Treibstoff für die Pirogen nicht mehr bezahlen. Nun mangelt es bereits am Benzin für die Außenbordmotoren. Deshalb müssen viele Fischer trotz inzwischen gelockerter Ausgangssperre an Land bleiben. Infolgedessen steht immer weniger Fisch zum Verkauf und es entspinnt sich ein sich selbstverstärkender Kreislauf.

Auch mangelt es oft am Notwendigsten, um die Hygieneauflagen zur Eindämmung der Epidemie an Bord der Schiffe, an den Anlandungsstellen, Verarbeitungsstätten und Märkten zu erfüllen. Deshalb haben die Berufsverbände der handwerklichen Fischerei vielerorts die Initiative ergriffen und versuchen mit ihren begrenzten Mitteln die Situation zu verbessern. Für die Frauen von USCOFEP-CI ist Prävention hierbei von zentraler Bedeutung. Deshalb haben sie Ende März begonnen an -Anlandungsstellen die Menschen darauf hinzuweisen, Distanz untereinander zu wahren und Hygienemaßnahmen zu respektieren. „Wir sensibilisieren, damit sich die Menschen beim Betreten des Marktes die Hände waschen und Handschuhe tragen“.

Für die USCOFEP-CI-Frauen zeigt die aktuelle Gesundheitskrise in grundsätzlicher Weise den Mangel an menschenwürdigen Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in der handwerklichen Fischerei. Sie betrachten die Covid-19-Pandemie so auch als eine Chance, Reformen durchzusetzen. USCOFEPCI appelliert an die Regierung und an die Partner des Landes in der Fischereiwirtschaft, insbesondere an die Europäische Union: „Wir haben uns für das Partnerschaftsabkommen über nachhaltige Fischerei mit der Europäischen Union ausgesprochen“, sagt Micheline Dion, „weil in dem Abkommen Transparenz herrscht, die Gemeinden einbezogen wurden und uns bestimmte darin vorgesehene Maßnahmen zur Unterstützung des Fischereisektors  oder das Ermöglichen der Anlandung von Beifang aus der industriellen Fischerei. „Faux-thon“-Anlandungen helfen können.“ (https://www.cffacape.org/news-blog/faux-thon-to-improve-the-livelihoods-and-conditions-of-ivorian-women). Doch im Moment sehen die ivorischen Fischverarbeiterinnen keine konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen. „Angesichts der Krise, die wir erleben, darf sich die EU gerade jetzt nicht zurücklehnen und schweigen.“

Auch die FAO warnt aufgrund des Corona-Szenarios vor „schädlichen Auswirkungen auf den Lebensunterhalt von Fischern und Fischzüchtern sowie auf die Ernährungssicherheit [- eine ausgewogene Nährstoffversorgung] von Bevölkerungsgruppen, die in hohem Maße auf Fisch angewiesen sind, wenn es um tierisches Protein und notwendige Mikronährstoffe geht.“ In einem im April veröffentlichten Papier gibt die Welternährungsorganisation einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen und schlägt Programme zum Schutz der Fischereisektors und des Einkommens insgesamt sowie der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen vor. Des Weiteren fordert die FAO, dass die Versorgungsketten aufrechterhalten werden müssen, um die Ernährungssicherheit dauerhaft zu gewährleisten (http://www.fao.org/3/ca8637en/CA8637EN.pdf).

Brot für die Welt und Fair Oceans unterstützen diese Forderungen der FAO wie auch die Anliegen der Frauen in der USCOFEP-CI ausdrücklich.

Quellen und Hinweise

https://www.cffacape.org/publications-blog/amidst-covid-19-crisis-african-artisanal-fisheries-are-more-than-ever-essential-to-feed-the-population-lymc6

Über ein Micro-Blogging (https://www.cffacape.org/news) und den Hashtag #Covid_ssf auf unserem Twitter-Account werden wir in Zusammenarbeit mit unserem Partner CAOPA Nachrichten über die Auswirkungen der Epidemie auf die Kleinfischerei und über die Maßnahmen veröffentlichen, die handwerkliche Fischer und Frauen ergreifen, um den Herausforderungen zu begegnen.

https://www.cffacape.org/coronavirus-crisis-impacts-on-african-artisanal-fisheries/if-small-scale-fishing-declines-there-will-be-a-food-crisis

https://www.cffacape.org/news-blog/hard-hit-by-the-covid-19-crisis-ivorian-women-in-artisanal-fisheries-also-see-it-as-an-opportunity-to-address-long-postponed-issues

http://www.fao.org/documents/card/en/c/ca8637en/