Die Sprache des Naturschutzes ist heutzutage die Sprache des Finanzsektors

Ein Gespräch mit Andre Standing über den Schutz der Meere als Geschäftsmodell der Finanzindustrie, darüber wie sich Naturschutz in Zeiten von Blue Economy gestaltet und warum die handwerkliche Fischerei davon keineswegs profitiert

Cornelia Wilß: Andre, durch Ihre Arbeit für CFFA (Coalition for Fair Fisheries Arrangements [Koalition für faire Fischerei-Abkommen]) befassen Sie sich seit einiger Zeit mit den Problemen, die die Konzepte der Blue Economy und die Idee vom Blue Growth mit sich bringen. Erst kürzlich hat die CFFA über den Zusammenhang zwischen Konzepten der Blue Economy und der Finanzialisierung von Naturschutz für die Meere eine Publikation herausgegeben. Bitte erklären Sie uns die Hintergründe!

Andre Standing: Vielen Dank für Ihre Zeit! Unsere Arbeit bei der CFFA ergänzt die Arbeit von anderen Organisationen. Es wächst die Besorgnis, dass die Rettung des Planeten inzwischen zu einem neuen Geschäftsmodell geworden ist, das darauf abzielt, neue Einkommensströme für private Investoren zu generieren. Es ist schon erstaunlich, dass in so vielen Berichten und Konferenzen zu Blue Economy über die Natur als ein Anlageobjekt für die Finanzmärkte gesprochen wird. Leider ist das anscheinend heute völlig normal, so über Natur zu denken. Es hat sich eine neue Kultur und ideologische Haltung in Bezug auf den Naturschutz herausgebildet. Das lief über einen längeren Zeitraum – seit den 1980er Jahren –, aber meiner Ansicht nach ging es im letzten Jahrzehnt erst so richtig los. Das kann man beispielsweise daran erkennen, dass bei vielen der weltweit führenden Naturschutzorganisationen inzwischen Personen mit Erfahrung aus dem Finanzsektor an der Spitze stehen, und dass diese NGOs nun eng mit Investmentbanken wie Goldman Sachs und Credit Suisse zusammenarbeiten. Diese Banken rücken auch bei internationalen Konferenzen über Blue Economy ins Rampenlicht, Biologen und andere Fachleute für Umweltfragen im Naturschutz werden von Leuten mit Abschlüssen von Business Schools und entsprechenden Erfahrungen in der Privatwirtschaft an den Rand gedrängt.

Natürlich ist das, was weltweit im Naturschutz passiert, nur ein Teil einer weitreichenden Transformation unserer globalen Wirtschaft, die viele Leute unter den Begriff „Finanzialisierung“ fassen. Diese Bezeichnung beschreibt nicht nur, wie die Weltwirtschaft versucht, immer mehr Profite aus Finanztransaktionen zu ziehen, indem alles zu einer Ware gemacht wird, mit der man spekulieren kann, und dazu gehört inzwischen eben auch die Natur. Finanzialiserung beschreibt zudem, wie die Eliten der Finanzmärkte Macht über weite Bereiche unseres gesellschaftlichen und politischen Lebens gewonnen haben. Man begegnet ehemaligen Führungskräften von Banken wie Goldman Sachs überall in den unterschiedlichsten Regierungen und zwischenstaatlichen Organisationen, die EU miteingeschlossen. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass genau diese Leute nun an globalen Initiativen für die Rettung der Natur und beim Kampf gegen den Klimawandel beteiligt sind.

 

Sie haben über den Naturschutz-Finanzsektor publiziert. Was können Sie uns darüber sagen?

Nun, damit wird der Bereich von Naturschutz bezeichnet, der darauf abzielt, profitable Naturschutzprojekte zu schaffen, die mit Geld von Privatinvestoren finanziert werden. Vor zehn Jahren noch hat sich niemand eines solchen Ansatzes bedient, doch inzwischen ist es womöglich das dominierende Thema im Bereich Naturschutz. Wenn man beispielsweise an einer Blue-Economy-Konferenz teilnimmt, trifft man heute Leute, die einem erzählen, dass sie für den Naturschutz-Finanzsektor arbeiten. Inzwischen kann man auch an top Business Schools wie Yale Postgraduierten-Studiengänge im Bereich Naturschutz-Finanzierung belegen. Das entwickelt sich gerade zu einem eigenen Feld, in das eine Menge des Geldes für Naturschutz fließt.

Wir haben gesehen, dass in letzter Zeit die Zahl von Konferenzen und Untersuchungen, die sich der Finanzierung von Naturschutz widmen, gewaltig gestiegen ist, und viele Organisationen und Start-ups dies zu ihrem Geschäftsfeld gemacht haben. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von internationalen Wirtschaftsverbänden im Naturschutz-Finanzsektor, mit tausenden von Mitgliedern. Bei vielen handelt es sich dabei um Risikokapitalfirmen oder Hedgefonds, die Öko-Finanzdienstleistungen und Beratung anbieten. Nahezu alle großen Nichtregierungsorganisationen, die sich im Naturschutz engagieren, haben inzwischen ganze Abteilungen oder Projekte zur Finanzierung des Naturschutzes eingerichtet, und das gilt auch für zwischenstaatliche Organisationen. Die UN, und insbesondere das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, haben die Naturschutz-Finanzierung ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Meiner Ansicht nach hat sich das inzwischen zu einem mächtigen Wirtschaftszweig entwickelt, mit eigenen Spezialgebieten und mit einem gewissen Fachjargon. Völlig unabhängig davon, ob das nun positiv oder negativ zu bewerten ist, für mich ist wichtig, dass wir diesen neuen Wirtschaftszweig als solchen erkennen, seine Entwicklung beobachten und über seine Auswirkungen nachdenken.

So ist eine der Problematiken, die wir genauer betrachten, die Frage, wie das Wachstum der Naturschutz-Finanzindustrie durch Firmen aus der Unternehmensberatung vorangetrieben wurde. Die Verfasser von so vielen der wichtigsten Analysen und Strategiepapiere zu den Themen Naturschutz und Klimawandel sind inzwischen Unternehmensberatungen wie McKinsey und Deloitte. Das ist gleichermaßen Ursache und Wirkung des rasanten Zuwachses bei der Naturschutzfinanzierung. Diese Firmen sind mächtige internationale Organisationen, die eng mit Regierungen, transnationalen Konzernen und Finanzinstitutionen zusammenarbeiten, und im Allgemeinen wirken sich ihre Leistungen und ihre Beratung nicht besonders positiv auf die Umwelt oder nutzbringend für ärmere Gemeinschaften aus. Tatsächlich gibt es einen triftigen Grund dafür, dass diese Beratungsfirmen eine Schlüsselrolle bei so vielen drängenden Herausforderungen spielen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist. Schließlich haben sie doch schon die Regierungen im Hinblick auf die Deregulierung der Finanzmärkte und auf die Lockerung von Umweltschutzvorschriften beraten. Allerdings bekommen sie nicht gerade die kritische Berichterstattung in den Medien, die sie eigentlich verdient hätten. Doch die Tatsache, dass gerade diese Organisationen inzwischen als globale Experten für Naturschutz gelten, sollte uns Sorge bereiten.

 

Wie bewerten Sie die Beziehung zwischen der Naturschutz-Finanzindustrie und den internationalen Bemühungen um Blue Economy?

Also, die beiden sind inzwischen so eng miteinander verwoben, dass man sich das Eine gar nicht ohne das Andere vorstellen kann. Die Europäische Kommission war die erste bedeutende internationale Organisation, die sich zu Blue Economy geäußert hat. In der Folge wurde das Thema von den Vereinten Nationen nach dem Umweltgipfel 2012 in Rio de Janeiro aufgegriffen. Von Anfang an basierten die Konzepte der Blue Economy auf der Idee, dass der maritime Sektor ein gewaltiges Potential bietet, um als ökonomischer Wachstumsmotor zu dienen. Die Blue Economy-Vision der EU wurde von der Vorstellung angetrieben, die Meere könnten dabei helfen, sich von der Wirtschaftskrise zu erholen, die die Weltfinanzkrise 2008 verursacht hatte. Selbstverständlich ging dieses Interesse an den Ozeanen als ein Wachstumsmotor zugleich auch mit der Erkenntnis einher, dass die zentralen maritimen Wirtschaftssektoren die Ökosysteme der Meere zerstören. Letztendlich sind wir jetzt mit einer Vision von Blue Economy konfrontiert, die für die Gesellschaft höheren Wohlstand verspricht, und zwar auf eine Art und Weise, die zugleich die marinen Lebensräume und ihre Tierwelt schützen soll.

Der Naturschutz-Finanzsektor stellt eine Erweiterung dieses fehlgeleiteten Denkens dar. Bei den meisten Präsentationen zu Ansätzen der Blue Economy geht es darum aufzuzeigen, dass die Probleme, die zur Zerstörung des blauen Planeten führen, durch Geldmangel verursacht werden, oder durch Gleichgültigkeit. Die Rettung der Meere erfordert in dieser Logik eine gewaltige Steigerung der Investitionen. Ganz augenscheinlich kann das aber nur teilweise von den Regierungen gestemmt werden, folglich erfordert die Rettung der Meere steigende Investitionen seitens des Privatsektors. Und jetzt kommt der Naturschutz-Finanzsektor in Spiel: Wenn wir denn die Meere retten wollen, dann benötigen wir privates Kapital. Und wenn wir privates Kapital für die Rettung der Meere haben wollen, dass muss die Rettung der Meere etwas sein, womit man Profite erzielt. Holla! Schließlich enden wir in einer Lage, in der die Welt für die Rettung der Meere in die Abhängigkeit von Investmentbankern und Hedgefonds-Managern gerät und in der Blue Economy als Riesenchance gilt, um Investoren dabei zu helfen, Reichtum anzuhäufen.

Die Koalition für faire Fischerei-Abkommen (CFFA)ist davon überzeugt, dass diese Vorstellung für viele Menschen gefährliche Folgen hat, einschließlich der handwerklichen Kleinfischerei. Die Welt kann nicht grenzenlos Wirtschaftswachstum aus den Meeren ziehen und gleichzeitig die marinen Lebewesen und die Ökosysteme bewahren. Wie Sie wissen, ist CFFA davon überzeugt, dass eine wahrhaft nachhaltige Nutzung der Meere mit einer generellen Begrenzung des Wachstums einhergehen muss, und dass Sektoren wie die handwerkliche Kleinfischerei Vorrang vor der industriell betriebenen Fischerei haben müssen. Wie auch immer, zunächst einmal ist das Problem der handwerklichen Fischerei, dass sie aus der Perspektive der Investoren nicht sonderlich profitabel ist! Sie passt nicht so recht in die finanzorientierte Sichtweise der Blue Economy, die auf das Erzielen von Gewinnüberschüssen aus ist. Dabei trägt doch gerade die handwerkliche Fischerei auf vielfältige Weise erheblich zur Wertschöpfung bei.

 

Eine steile These! Es geht also bei Naturschutz-Finanzierung zuallererst darum, Geld zu verdienen. Könnten Sie uns ein paar Beispiele nennen, wie diese Naturschutz-Finanzindustrie die handwerkliche Fischerei beeinträchtigt, vor allem in Entwicklungsländern?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Ich denke, die Naturschutz-Finanzindustrie verzeichnet größere Erfolge, wenn sie Projekte in reicheren Ländern entwickelt. Dennoch schaut man sich dort derzeit aktiv nach Möglichkeiten für Investitionen in vielen Entwicklungsländern um. Das sind für solche Investoren Länder mit einem höheren Risiko, also erzielen sie auch eine höhere Rendite.

Ganz allgemein betrachtet bereitet uns das Narrativ vom Blauen Wachstum selbstverständlich Sorgen. Dieses Narrativ ist inzwischen so vorherrschend, dass andere Vorstellungen davon, wie man Meeresräume gestaltet, darum kämpfen müssen, überhaupt Gehör zu finden. Wenn man Banken und Beratungsfirmen eine so starke Stimme bei den Debatten über die Rettung des Planeten zugesteht, besteht die Gefahr, dass dies die Aufmerksamkeit von der Tatsache ablenkt, dass insbesondere die Finanzmärkte und die Banken so viel dazu beigetragen haben, die Probleme zu schaffen, die wir jetzt zu lösen versuchen. Für mich ist eines der offensichtlichsten Beispiele dafür die Credit Suisse. Diese Bank hat vermutlich mehr als alle anderen die Idee von der Naturschutz-Finanzierung zum Schutz der Ozeane vorangetrieben. Sie ist Partnerschaften mit dem WWF, der UN und mit der Weltbank bei allen möglichen Blue-Economy-Projekten eingegangen. Dabei stand Credit Suisse durch ihre Beteiligung an der undurchsichtigen Finanzierung einer Fischereigesellschaft für den Thunfischfang in Mosambik zugleich im Zentrum von einem der in Afrika bislang größten Korruptionsskandale.

Dies ist nur ein Beispiel für die dichte Hülle an Heuchelei, von der die Finanzindustrie im Bereich des Naturschutzes umgeben ist. Und natürlich gibt es viele andere Beispiele dafür, wie private Investitionen und die Logik der Finanzialisierung den Fischereisektor durchdringen, mit schrecklichen Folgen für die Fischer und die Umwelt.

Andre, lassen Sie uns auf andere Finanzierungsinstrumente wie zum Beispiel die Blue Bonds oder die Ocean-Dept-Swaps zu sprechen kommen. Können Sie erklären, wo der Haken dabei ist?

Ja gerne! Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe, sind in der Tat die Blue Bonds und die so genannten Ocean-Debt-Swaps. Diese Finanzinstrumente erhalten eine große Unterstützung durch europäische Regierungen, durch die EU, und auch durch die UN und die Weltbank.

Mit beiden Instrumenten wird versucht, die Verschuldung der Entwicklungsländer zu nutzen, um die Finanzströme zugunsten des Meeresschutzes zu erhöhen, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Es sind Instrumente, die so gestaltet wurden, dass sie durch Privatinvestoren finanziert werden. Sie stellen somit ein klassisches Beispiel dafür dar, wie die Naturschutzindustrie versucht, eine Win-Win-Situation zu erzielen: Man beschafft Geld für die Rettung der Ozeane, während man den Privatinvestoren Profite bietet. Dabei ist es gar nicht so schwierig zu erkennen, wie diese Finanzinstrumente im Interesse von Investoren und ausländischen Naturschutzorganisationen zugeschnitten wurden, während sie für Entwicklungsländer und Gemeinschaften wie handwerkliche Fischer viele Risiken bergen. Wenn man sich in die Welt der internationalen Finanzen begibt, lassen sich Menschen durch positiv klingende Floskeln leicht verwirren.

Lassen Sie mich auf die Debt-Swaps eingehen, über die wir vor Kurzem einen Bericht vorgelegt haben. Debt-Swaps werden in großem Stil unterstützt, insbesondere während der globalen Pandemie, als die Schuldenbelastung von Entwicklungsländern völlig außer Kontrolle geriet. Viele Organisationen machen Kampagnen für einen Schuldenerlass, damit die betroffenen Länder damit aufhören, ausländische Kreditgeber zu bezahlen und das Geld stattdessen vor Ort in Naturschutz und die Klimakrise zu investieren. Das ist ein vielversprechender Ansatz. Doch Debt-Swaps unterscheiden sich von Schuldenerlassen. Bei diesem Finanzinstrument ist eine Organisation oder eine Investorengruppe beteiligt, die die Auslandsschulden von Entwicklungsländern mit der Vereinbarung aufkaufen, dass die Regierung des Entwicklungslandes den gleichen Geldbetrag für lokale Naturschutzprojekte ausgibt, normalerweise mit Hilfe einer ausländischen NGO. Diejenigen, die die Schulden aufkaufen, wiederum erwarten eine Rückzahlung mit Zinsen. Die TNC – das ist die US-amerikanische NGO The Nature Conservancy – hat bislang zwei Ocean-Debt-Swaps finanziert, einen für die Seychellen und einen anderen für Belize. Doch wenn man diese Finanztransaktionen genauer betrachtet, dann stellt man fest, dass die Höhen der Schuldenstände der Entwicklungsländer faktisch nicht reduziert wurden, während die Darlehen zum Aufkauf der Auslandsschulden erhebliche Gewinne für Banken und Naturschutzorganisationen abwerfen. Während das anscheinend den Entwicklungsländern keinen nennenswerten Gewinn bringt, übertragen diese den ausländischen Naturschutzorganisationen eine Menge Macht, die somit großen Einfluss auf die nationale Politik erhalten.

Gemeinsam ist vielen Finanzdeals im Bereich Naturschutzfinanzierung etwas, das wirklich anrüchig ist: Sie werden im Geheimen verhandelt. Die Öffentlichkeit erfährt erst davon, wenn sie bereits abgeschlossen sind. Derzeit verhandelt die TNC Debt-Swaps im Wert von mehreren Milliarden Dollar mit Ländern wie Kenia und Barbados, aber kaum jemand weiß etwas darüber. Und noch ein weiteres Detail: Die Investmentbank, die die TNC für die Verhandlung der Schulden gewählt hat, ist die Credit Suisse.

Ein zentraler Punkt der Naturschutz-Finanzindustrie in Entwicklungsländern ist die Manipulation von – oder das Zocken mit – Staatsschulden. Die Tatsache, dass diese Länder in Auslandsschulden ertrinken, stellt für ein nachhaltiges Management der Meere und für den Umgang mit der Klimakrise ein gewaltiges Problem dar, das kaum Beachtung findet. Allerdings ist es naiv zu erwarten, dass Investmentbanken dafür eine tragfähige Lösung bereithalten. Die hauptsächliche Ursache für die eskalierenden Schulden in Entwicklungsländern sind die unsauberen Kredite, die genau die gleichen Investmentbanken zur Verfügung stellten, die jetzt Schlange stehen, um noch mehr Kredite für Blue Bonds und Debt-Swaps anzubieten.

Mit welchem Ansatz versucht CFFA, diesem wachsenden Einfluss der Naturschutz-Finanzindustrie entgegenzuwirken?

Wir sind nur eine kleine Organisation, natürlich können wir nicht erwarten, dass wir die Finanzmärkte in Angst und Schrecken versetzen! Ich habe mehrere Organisationen wie die TNC angeschrieben, doch ich erhielt niemals eine Antwort. Dennoch denke ich, dass wir eine sinnvolle Rolle spielen können, wenn wir beobachten, welche Konsequenzen die Entwicklung für Organisationen der handwerklichen Fischerei nach sich ziehen und versuchen, die Problematik der Naturschutz-Finanzindustrie zu entmystifizieren. Das ist meines Erachtens eine wichtige Aufgabe. Dass die Art und Weise der Darstellungen von Finanzinstrumenten nicht einfach zu durchschauen sind, ist eines der Probleme, mit denen die handwerkliche Kleinfischerei konfrontiert ist. Darüber hinaus muss ich anmerken, dass Organisationen der handwerklichen Fischerei kaum je zu Konferenzen über Naturschutz-Finanzierung eingeladen werden, trotz des Umstands, dass gerade sie von verschiedener Seite oft als Nutznießer dieser Deals benannt werden.

Die meisten von uns sprechen nicht die Sprache der internationalen Finanzwelt, und der Umgang mit Menschen, die diese Sprache beherrschen, kann ziemlich einschüchternd sein. Die Tatsache, dass die meisten von uns nicht wirklich begreifen, wie diese internationale Finanzwelt funktioniert, während sie in unserer Zeit als unverzichtbar für die Rettung des Planeten angesehen wird, ist ein erhebliches Hindernis für eine demokratische Governance.

Ich möchte noch ein weiteres Beispiel nennen. Es gibt noch einen anderen Anleihetyp, von dem die Naturschutz-Finanzindustrie regelrecht begeistert ist: die „Katastrophen“-Anleihen, die sogenannten Cat-Bonds. Das ist eine Form von Versicherungen für Entwicklungsländer gegen die Auswirkungen der Klimakrise, und sie werden wegen der zu erwartenden Folgekosten von Orkanen und Stürmen insbesondere an Küstenländer vermarktet. Sie sind in der Tat Bestandteil einer größeren Industrie, die versucht, Versicherungen gegen Klimakatastrophen anzubieten. Dabei sind auch diese Finanzinstrumente nur schwer zu verstehen. Zuerst hören sie sich wie eine gute Idee an, doch der Teufel steckt im Detail. Aber wenn man nicht wirklich versteht, was diese Deals alles beinhalten, ist es schwer einzuschätzen, welche Aspekte man genauer betrachten sollte. Und ich denke, wir müssen die Menschen an das größere Bild erinnern. Westliche Finanzorganisationen ermutigen die Länder des Südens, für Versicherungspolicen zur Deckung der Auswirkungen der Klimakrise zu zahlen, obwohl die westlichen Länder eine enorme Verpflichtung haben, diese Kosten selbst zu tragen. Das ist die ökologische Schuld, die die Länder mit der größten Umweltverschmutzung auf sich geladen haben.

Wir von CFFA versuchen, allgemeinverständliche Beschreibungen und Analysen dieser Deals anzubieten und genau zu erklären, wie diese Deals funktionieren und welche Risiken sie für die handwerkliche Fischerei bergen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die Beschreibung von Finanztransaktionen ist kompliziert und manchmal langweilt es die Leute, so etwas zu lesen!

Einen Beitrag zu mehr Transparenz im Bereich Naturschutz-Finanzierung zu leisten, ist wirklich wichtig. Leider wird dem Vordringen der Naturschutz-Finanzindustrie augenscheinlich nur wenig kritische Aufmerksamkeit gewidmet. Aber ich denke, die Lage wird sich ändern. Bislang hat die Welt sehr lange marktorientierte Mechanismen für die Rettung der Natur bevorzugt und nun intensiviert sie ihre Anstrengungen, den Naturschutz in die Hände der Finanzmärkte und Bankern zu legen. Wir jedoch sollten unsere Hoffnung daraufsetzen, dass deren Misserfolge immer offensichtlicher werden und dass das dazu führt, dass sich immer mehr Leute veranlasst sehen, dieses Vorgehen grundsätzlich infrage zu stellen.

Leider haben wir nicht mehr viel Zeit.

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Dr. Andre Standing lebt in Kenia. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und war maßgeblich an der Gründung der FITI (Fisheries Industry Transparency Initiative) beteiligt. Derzeit arbeitet er als unabhängiger Autor sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die CFFA.
Das Interview führte Cornelia Wilß für Fair Oceans. (Übersetzung: Stefanie Karg). Die Fragen lagen Andre Standing auch zur schriftlichen Beantwortung vor.

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english version

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Quellen und Leseempfehlungen:

Andre Standing, The Sustainable Blue Economy Finance Initiative: How to destroy the oceans responsibly, April 2022

https://www.cffacape.org/publications-blog/how-will-the-eu-contribute-to-support-sustainable-artisanal-fisheries-in-africa-through-its-international-partnerships-b97yy

Andre Standing, Debt-for-nature swaps and the oceans: The Belize Blue Bond, March 2022,

https://www.cffacape.org/publications-blog/debt-for-nature-swaps-and-the-oceans-the-belize-blue-bond

Andre Standing, Understanding the conservation finance industry”, November 2021,

https://www.cffacape.org/publications-blog/understanding-the-conservation-finance-industry

Andre Standing, Blue Bond: Saving your fish or bankrupting the oceans?, April 2018,

Andre Standing: Meet Bond … Blue Bond. Saving your fish or bankrupting the oceans, April 2018,

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