Djiffer – eine senegalesische Küstengemeinschaft in der Klimakrise
Noch fischen 20.000 Pirogen vor der 700 Kilometer langen Küste Senegals; 18 Millionen Menschen im Senegal leben hauptsächlich von Fischerei und Landwirtschaft. Auf seiner 700 Kilometer langen Küstenlinie sieht sich das westafrikanische Land mit einem durchschnittlichen Küstenrückgang von 0,5 bis zwei Meter pro Jahr und der Zerstörung von 2.50.000 Hektar Land konfrontiert. Insgesamt könnte der Klimawandel bis Mitte des Jahrhunderts, prognostiziert die Weltbank, mehr als zwei Millionen Senegalesen in die Armut treiben.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Wie konkret sich der Klimawandel auf das Überleben der Menschen an den Küstenorten auswirkt, lässt sich erahnen, wenn man den Ort Djiffer zweihundert Kilometer südlich von Senegals Hauptstadt Dakar besucht. Djiffer liegt in der Region Fatick an der Pointe de Sangomar – so der Name der Landzunge im Atlantischen Ozean an der Mündung des Saloum-Deltas, welches das Ende der Petite Côte markiert.
Der kleine Fischerort, der lange vom großen Fischfang in der Region lebte, ist zu einem Symbol für die Zerstörungen geworden, die durch Küstenerosion verursacht sind. Zu dieser Tageszeit, an dem wir in dem Ort ankommen, ist es ruhig. Morgens haben die Dorfbewohner den Tag der Fischerei (World Fisheries Day), der jedes Jahr am 21. November gefeiert wird, begangen. Jetzt am späten Nachmittag sitzen die Menschen zusammen und nehmen kaum Notiz von der Gruppe, die durch den kleinen Ort läuft.
Zerstörte Häuser in Djiffer, Foto: Conny Wilß
Die bunten Pirogen der Fischer warten auf dem schmalen Sandstreifen auf die nächste Ausfahrt, einige Frauen stehen hinter einfachen Gestellen, auf denen sie Fisch und Meeresfrüchte trocknen oder durch Räuchern haltbar machen, und bieten ihre Ware an. Eselkarren, meist bepackt mit Eis, um den Fisch zu kühlen, stehen am Straßenrand oder passieren, angetrieben von jungen Männern, zu deren Vergnügen, wie es scheint, die schmalen Gassen, rechts und links der Hauptstraße sind kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf.
Fischfang, der zum Trocknen ausliegt, Foto: Foto: Conny Wilß
Die Besuchergruppe, organisiert von CAOPA, dem afrikanischen Dachverband der Kleinfischerei, die dem Dorf angekündigt worden war, folgt einem schmalen Weg auf einem Damm, der nach der Sturmwelle 2020 gebaut und wohl der Großzügigkeit eines Marabut zu verdanken ist, der es mit seinen Anhängern geschafft hat, den behelfsmäßigen Schutzdamm zu errichten.
Der Weg an die Spitze der Landzunge führt vorbei an Häusern, von denen nur noch die Grundmauern stehen. Schutzlos ist das Innere der Wohnungen, wo vor wenigen Jahren noch Familien lebten, unseren Blicken preisgegeben. Nur die Ziegen, die zwischen den Ruinen nach Futter suchen, scheinen unbeeindruckt von dem bedrückenden Szenario. Die Fischerfamilien, die seit Jahrhunderten an der Küste leben, sind – wie an vielen anderen Orten im Senegal – die ersten Opfer des Klimawandels. So wie im Jahr 2020, als eine große Welle große Teile der vorgelagerten Sandbank mit sich riss und die Flut die Häuser zerstörte. Natürlich stellt sich die Frage auch heute: Was hat Regierung damals unternommen? Die Antwort ist ernüchternd. Die Menschen warten nicht mehr darauf, dass der Staat etwas unternimmt. Alle seien damals da gewesen, sagt der Bürgermeister Bachirou Diaye, in die Kamera der Deutschen Welle , der Gouverneur, der Unterpräfekt. Sie wollten wissen, wie viele Leute betroffen sind. Aber geschehen sei nichts. „Wenn die Dinge so weitergehen, sind Tausende von informellen Arbeitsplätzen bedroht.“ Schuld an der Verschlechterung der Lebensbedingen sei eine nicht vorhandene Politik des Küstenmanagements, hört man zwischen den Zeilen, wenn am mit den Leuten redet. Die Regierung müsse mehr tun, um die Fischergemeinden gegen die Auswirkungen der Klimakrise resilienter zu machen.
Der Blick vom neuen Deich in Richtung Dorf offenbart ein anderes Problem. Unzählige Plastikteile hat das Meer an Land gespült … Plastikflaschen, Badelatschen, Kanister, alles, was nicht verrottet und was die Zivilisation der Natur als Mahnung überlässt. Plastikmüll ist im Senegal zu einer Plage geworden. Die Küstenstadt Joal-Fadiou, die wir auf dem Weg nach Djiffer passiert habe, ist nur ein Beispiel von vielen. Tausende von gebrauchten Plastiktüten liegen am Strand, hängen an den Ästen der Mangrovenwälder und gefährden das wichtige Ökosystem. Ein Anblick, der Touristen fernhält, wenn nicht wie in Saly die Gemeinde oder einzelne Hotelbesitzer dafür sorgen, dass der Strand dort sauber ist, wo die Touristen langschlendern und den Ausblick genießen wollen.
Besuschergruppe von CAOPA am World Fisheries Day 2024, Foto: Conny Wilß
Off-Shore – Risiken in Sangomar
Djiffer liegt am Rand des Sangomar-Feldes, das sowohl Öl als auch Gas enthält. Die Arbeiten an der Sangomar-Feldentwicklung begannen Anfang 2020. Es ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Rufisque Offshore, Sangomar Offshore und Sangomar Deep Offshore, betrieben vom australischen Unternehmen Woodside und der Societé des Petroles du Sénégal erreichte die erste Ölproduktion im Juni 2024. Der Offshore-Standort Sangomar, an dem die Plattform installiert wird, liegt vor der Küste des Saloum-Flussdeltas, einem Gebiet, das reich an Fischen und Meerestieren ist. Mit dem Bau der Plattform 2020 hat sich viel für die Fischer verändert, sagt der Vorsitzende des lokalen Komitees für handwerkliche Fischerei, Souleymane Thiaw dem Radio France International. „Jeder weiß, dass Fische vom Licht angezogen werden. Also sind die Fische heute in den Bereich der Ölanlagen gewandert. Und unsere Fischer können wegen des Sicherheitsbereichs nicht mehr dorthin gelangen. Die Folge ist, dass einige Fischarten in diesem Bereich selten geworden sind.“
Auch die große Fischergemeinde in Saint Louis im Norden ist in Sorge um ihr Überleben, während der Rest des Landes in der Öl- und Gasförderung ein großes Potenzial für die Energieversorgung sieht. Vor der Küste von Saint-Louis, an der senegalesisch-mauretanischen Grenze, hat der britische Energiekonzern BP (British Petroleum) Anlagen zur Gasförderung errichtet, auf einem Terminal soll es verflüssig und als Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG) verkauft werden. Wie die Vertreter der Kleinfischerei das Sangomar-Projekt und die Erdgasförderung vor der Küste in Saint-Louis beurteilen, welche Ängste sie haben und was sie von ihrer Regierung als Ausgleich fordern, lässt sich in dem Interview mit dem senegalesischen Meeresschutzexperten Mamadou Faye nachlesen. Das Gespräch unter dem Titel Der Klimawandel zeigt jetzt sein wahres Gesicht ist Teil der umfangreichen neuen Publikation von Fair Oceans (Autor: Kai Kaschinski) zum Themenkomplex Küstenräume als Risikogebiete. Über Saint Louis im und am Senegal und Küstengemeinschaften in der Klimakrise.
Text: Cornelia Wilß