Fairer Transport

Die Kosten für Transport und Verladung sind weltweit extrem niedrig. Wenig bekannt sind die Arbeitsbedingungen, die auf Schiffen und an Häfen herrschen. Besonders die Fracht- oder Containerschiffe, die unter so genannten „Billigflaggen“ fahren, sind ein prägnantes Beispiel für die Ungerechtigkeiten der Globalisierung:

Der Großteil des Seetransports erfolgt auf Schiffen unter eben diesen „Billigflaggen“. Damit sind Schiffe gemeint, die unter der Flagge der derzeit 35 Länder fahren, die Sozialdumping und unkontrollierte Arbeitsverhältnisse auf den Schiffen dulden. Die Besatzungen stammen vorwiegend aus Ländern des globalen Südens (Indien, Pakistan und den Philippinen) oder aus Billiglohnländern (Lettland, Ukraine, Kroatien u.a.). Die Seeleute arbeiten meist befristet für ca. neun Monate ohne Feier- oder Ruhetage, meist über die vertragliche 64-Stunden-Woche hinaus. Gesundheitsschutz oder Urlaubsanspruch haben sie nicht. Sie werden teilweise nach Willkür bezahlt, erhalten gar keinen Lohn oder werden sogar versklavt. Aus Angst, ihren Job zu verlieren, erdulden sie menschenunwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Für die meisten der etwa 1,2 Millionen Seeleute weltweit bestehen demnach keine geregelten Arbeitsbedingungen. Selbst wenn sie formell nach den internationalen Mindeststandards der ILO oder der Internationalen Transportarbeiter Föderation [ITF] entlohnt werden, erhalten sie in der Realität oftmals weitaus geringere Löhne. Denn anders als andere Containerschiffe unterliegen Billigflaggenschiffe nicht dem Einfluss und den Tarifverträgen nationaler Gewerkschaften.
Für die Gestaltung einer gerechten und umweltfreundlichen Weltwirtschaft darf der Seeverkehr aufgrund seiner großen Bedeutung kein blinder Fleck bleiben.

Fair Oceans als Mitinitiator des Bündnisses „Fair übers Meer“ – ein Bündnis aus Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen – unterstützt deshalb folgende Forderungen an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft:

• Jedes Schiff muss eine tarifliche Vereinbarung mit einer Seeleutegewerkschaft seines Flaggenstaates abschließen. Billigflaggenschiffe müssen einen Tarifvertrag des Internationalen Zusammenschlusses von Transportarbeitergewerkschaften (International Transport Workers´ Federation, ITF) vorweisen können. Der ITF-Tarif als internationaler Mindeststandard darf auf allen international fahrenden Schiffen nicht unterschritten werden.
• Um die Teilhabe der Länder des globalen Südens am internationalen Seetransport zu fördern, sollte die feste Verteilung des Ladungsaufkommens zwischen Export- und Importland, wie im UNCTAD-KODEX 40-40-20 vorgeschlagen, politisch wieder aufgegriffen und vorangetrieben werden.
• Auf lange Sicht sollten Schiffe unter der Flagge des Staates fahren, in dem der nutznießende Eigentümer (beneficial ownership) ansässig ist (genuine link).
• Im Kampf gegen Billigflaggen und die schlechten Arbeitsbedingungen müssen die Hafenstaatkontrollen quantitativ und qualitativ (PSC, Port State Control) deutlich erhöht werden. Die Papierkontrolle soll die Ausnahme sein.
• Den ArbeiterIinnen an Bord und in den Häfen muss unabhängig von der Staatsangehörigkeit gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden.
• Der Transportweg eines Produkts muss transparent sein und Verbraucher*innen zugänglich gemacht werden. Hierfür müssen entsprechende gesetzliche Regelungen Sorge tragen.
• Alle am Seehandel teilnehmenden Nationen müssen ein ihrer Flottengröße entsprechendes Maß an nationaler Ausbildung und Beschäftigung auf eigenen Schiffen gewährleisten, um das maritime Knowhow zu erhalten.
• Frachtschiffe stellen durch ihre immer weiter wachsende Größe eine Gefährdung für die anzulaufenden Küsten- und Flussökosysteme dar. Dem Prinzip, dass, was technisch machbar ist, auch umgesetzt werden muss, ist durch eine Maximalgröße ein internationaler gesetzlicher Riegel vorzuschieben. Die Schiffe müssen den vorhandenen Zufahrtswegen zu den Häfen entsprechen, nicht umgekehrt.
• Um die negativen Folgen der Seeschifffahrt auf das Klima und die Verschmutzung der Ozeane zu verringern, müssen Schiffe mit hochwertigen, schwefelarmen Kraftstoffen und umweltfreundlichen Antriebssystemen fahren bzw. ihre Emissionen so weit wie technisch möglich verringern.
• Die deutsche Politik soll sich auf internationaler Ebene für ein komplettes Verbot der auf den Weltmeeren ausgewiesenen Flächen zur Müll- und Ölgemischentsorgung einsetzen. Des Weiteren soll sie sich einsetzen für ein weltweites (zumindest aber europaweites) „no-special-fee“-System zur kostenlosen Abgabe von Abfällen jeder Art in den Häfen, bei gleichzeitiger Einführung von ausrüstungspflichtigen Entsorgungsanlagen an Bord.
• Das Abwracken der Schiffe muss unter ökologischen und sozialverantwortlichen Rahmenbedingungen stattfinden. Die deutsche Bundesregierung muss endlich die Hongkong-Konvention zum sozial und ökologisch verträglichen Recycling von Schiffen aus dem Jahr 2009 ratifizieren. Die EU sollte auf eine europaweite Ratifizierung drängen. Handelsunternehmen sollen mit Reedereien arbeiten, die auf der Positivliste der Shipbreaking Platform („list of responsible shipowners“) stehen.
• Schiffe sollten künftig so gebaut werden, dass sie sich auf ökologisch und sozial vernünftige Weise betreiben, nutzen, zerlegen und recyceln lassen.

Besonders der Faire Handel, die öffentliche Beschaffung und Unternehmen mit staatlicher Beteiligung sollten diese Forderungen im Rahmen der Ausübung ihrer Vorbildfunktion erfüllen. Z.B. sollten ökologisch und fair produzierte Produkte nur von Reedereien, Hafen- und Logistikunternehmen transportiert werden, die nicht auf unstete Beschäftigung, Billigarbeitsplätze an Bord oder Leiharbeit setzen und die nach Tarif bezahlen.