Kleinfischerei

Etwa die Hälfte der jährlich im offenen Meer gefangenen rund 80 Millionen Tonnen Fisch werden von den etwa 3.000 großen Fangschiffen der industriellen Fischerei gefangen. Die andere Hälfte sowie der überwiegende Teil der Fänge aus Flüssen und Seen werden allerdings nach wie vor von der handwerklichen Fischerei eingebracht. Diese Fänge werden oft regional vermarktet und verarbeitet. Damit trägt die Kleinfischerei wesentlich zur Ernährungssicherheit in den Küstenregionen bei, in denen mittlerweile mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Handwerkliche Fischerei ist somit ein wichtiges Element bei der Sicherung des Rechts auf Nahrung und der Bekämpfung von Mangelernährung im globalen Süden. Wird ausdrücklich die Subsistenzfischerei in den Entwicklungsländern einbezogen, so wächst die Bedeutung der kleinen Fischerei und ihr Anteil an der Ernährungssicherheit noch einmal. Die Subsistenzfischerei kann der alltäglichen Versorgung von Haushalten dienen oder auch eine Sicherung der Versorgung in Krisenzeiten gewährleisten. Der Zugang zum Meer und intakte Fischbestände sind für die auf die natürlichen Meeresressourcen angewiesenen, ärmeren Küstengemeinden existenziell.

Des Weiteren liegen die Beschäftigungseffekte der Kleinfischerei trotz geringerer staatlicher Subventionen eindeutig über denen des industriellen Bereichs. So trägt die Kleinfischerei mit ihren starken Beschäftigungseffekten auch erheblich zur Armutsbekämpfung in den Küstengemeinden bei. Etwa die Hälfte aller Beschäftigten in der Fischereiwirtschaft sind Frauen; überwiegend im Handel und in der Verarbeitung. Auch die Umweltbilanz der Kleinfischerei ist in verschiedener Hinsicht besser als die der großen Trawler. Die Fangtechniken der Kleinfischerei sind in der Regel ökologisch weniger problematisch als die der industriellen Fischerei. Die Beifangraten und der Kraftstoffverbrauch sind niedriger als bei den Trawlern. Jedoch nicht nur mit Blick auf die Ernährungssicherheit, die Armutsbekämpfung und den Meeresschutz ist ein Erhalt der handwerklichen Fischerei und ihre Förderung sinnvoll. Die Kleinfischerei ist jenseits der Fischereiwirtschaft im engeren Sinne Teil der Kultur und sozialen und ökonomischen Gesellschaftsstrukturen vieler Küstenregionen.

Aus umwelt- und entwicklungspolitischer Sicht  muss der lokalen, handwerklichen Fischerei deshalb Vorrang vor der industriellen Fischerei gewährt werden. Ein wichtiger Schritt hierhin wäre die Einrichtung von exklusiv der handwerklichen Fischerei vorbehaltenen Zonen von mindestens 12 Seemeilen in allen AWZs. Die Grenzen solcher Vorrangzonen und deren Bewirtschaftungsregeln müssten auf regionaler Ebene partizipatorisch und transparent abgestimmt werden. Die Richtlinien der Welternährungsorganisation [Food and Agriculture Organization |FAO] zum Schutz der Kleinfischerei, die unter anderem auf starken Druck der international aktiven Verbände der Kleinfischerei hin verabschiedet wurden, unterstreichen die Bedeutung der Kleinfischerei und unterstützen deren vorrangige Behandlung. In der jetzigen Umsetzungsphase der Richtlinie muss sich allerdings erst zeigen inwiefern die nun zur Verfügung stehenden Mittel tatsächlich der Kleinfischerei zugutekommen und die Staaten Gesetze und Verordnungen erlassen, die die Kleinfischerei durch die Errichtung von Vorrangzonen oder andere Maßnahmen effektiv schützen.