Offshore-Industrie

Abhängig vom Ölpreis findet mehr als ein Viertel der weltweiten Erdölförderung mittlerweile auf See statt. Diese Offshore-Förderung erfordert einen immer höheren technischen Aufwand, je tiefer die Bohrungen geführt werden. Ein wachsender Teil davon findet in der Tiefsee statt und geht mit weitreichenden Umweltrisiken einher. Beim Untergang der „Deepwater Horizon“ kamen 2010 elf Menschen ums Leben und 3,19 Mio. Barrel Öl liefen nach Berechnung eines US-Gerichtes ins Meer. Zudem wurden mehr als 2.000 Kilometer Küste verschmutzt und erst nach 87 Tagen gelang es, den Austritt des Erdöls in 1.500 m Tiefe zu stoppen. Die Gesamtkosten für die Beseitigung des Unfalls haben sich für BP auf mehr als 60 Mrd. USD summiert. Fair Oceans tritt für eine Einstellung und den Rückbau der Ölförderung in der Tiefsee ein.

Es sind jedoch nicht nur die besonders riskanten Vorhaben in der Tiefsee und die Unfälle, die die Meereswelt bedrohen. Schon im Normalbetrieb ist die Ölförderung auf See ein schmutziges Geschäft. Die Ölproduktion geht mit dem Einsatz von Chemikalien einher, die im großen Stil in die Meere und den Meeresboden gelangen. Die Erkundung neuer Vorkommen geschieht unter anderem durch die Zündung von Sprengladungen, die Unterwasser für eine erhebliche Lärmbelastung sorgen. Zum öffentlichen Thema in Deutschland wurden die Folgen der Offshore-Ölförderung 1995. Damals organisierte Greenpeace eine breite Protestbewegung gegen die von Shell und Esso geplante Versenkung der Ölplattform Brent Spar in der Nordsee. Der Boykott der Tankstellen von Shell und die scharfe Kritik an der Entsorgung von Industrieanlagen im Meer sorgten für ein Einlenken der Konzerne. Heute ist die Versenkung von Ölplattformen im Nordatlantik verboten.

Die Geschichte der Öl- und Gasförderung vor den Küsten markiert den Beginn der Industrialisierung der Ozeane und Meere. In den letzten Jahren hat sich die Intensität der Nutzung der Meeresressourcen deutlich erhöht und neue Nutzungsformen wie die Offshore-Windproduktion sind dazu gekommen. Der Tiefseebergbau wäre ein weiterer neuer maritimer Industriesektor, sollte er begonnen werden. Mehr als 1,4 Millionen Menschen arbeiten auf See. Oftmals zieht sich ein flächendeckendes Netz von potentiellen Lizenzgebieten die Küsten entlang. Teilweise wird dabei von den Küstenstaaten jeder Quadratmeter der Ausschließlichen Wirtschaftszonen eingeteilt in Parzellen feilgeboten.

Neben dem Zuwachs der Industrieanlagen auf See treibt ebenso die veränderte Nutzung der Küstenzonen die Industrialisierung der Meere voran. Immer weitreichender werden die Küstenregionen der Welt künstlich umgestaltet und deren Bebauung auf das Meer hinaus ausgedehnt. Küstenökosysteme wie die Mangrovenwälder verschwinden unter den Betondecken für Hafenanlagen, Brücken oder Tourismuszentren. Flussmündungen werden ausgebaggert und die Küstenlinie künstlich verändert. Für die Ozeane und Meere ist die Industrialisierung keine Erfolgsgeschichte. Sie bringt zusätzliche Belastungen und gefährdet die Existenzgrundlagen der Küstengemeinden, die auf intakte Küsten- und Meeresökosysteme angewiesen sind. Zudem fördert die Konkurrenz und räumliche Ausdehnung der verschiedenen Nutzungsinteressen Konflikte. Diese Konflikte zeigen sich besonders deutlich an zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen um die Grenzen auf See wie im Südchinesischen Meer oder dem Arktischen Meer. Aber auch lokal eskalieren die Konflikte zwischen Offshore-Ölindustrie, Fischereiwirtschaft oder Tourismus je mehr sich das Wettrennen um die ergiebigsten marinen Rohstoffvorkommen beschleunigt.