Immer mehr Inseln und Strände der Welt verschwinden

Die Sturmflutsaison an der Nordsee gibt einen Ausblick auf ein globales Problem


Die aktuellen Berichte über die Folgen der winterlichen Sturmflutsaison 2023/2024 an Nord- und Ostsee
geben einen Ausblick auf eines der schwerwiegendsten Probleme der globalen Klimakrise. Der steigende
Meeresspiegel und die zunehmenden Extremwettereignisse bedrohen insbesondere die sandigen flachen
Küstenabschnitte und die großen Flussmündungsgebiete der Welt. Überall lässt sich inzwischen
beobachten, wie Tag für Tag immer mehr Infrastrukturen zerstört werden, ganze Küstenorte im Meer
verschwinden und wertvolle marine Ökosysteme unter Druck geraten. Hier kündigt sich eine dramatische
Entwicklung an, die ohne eine vorausschauende Planung im Küstenraum und eine umfassende
internationale Zusammenarbeit die Existenzgrundlagen vieler Millionen Menschen gefährdet.

Die Situation auf den Inseln der Nordsee ist beispielhaft für eine globale Entwicklung, deren volles Ausmaß in
Deutschland bisher zu wenig Beachtung findet. Die flachen Küstenabschnitte und Inseln wie auch die großen
Mündungsgebiete der Flüsse sind mit ihren weiten Sandstränden beliebte Tourismusziele. Zugleich sind es auch
die Regionen, in denen die großen Handelsstädte mit ihren Häfen zu finden sind. Heute liegen rund Zweidrittel
aller Megacities der Welt an den Küsten, sei es nun Lagos, Mumbai oder Singapur. Die Klimakrise macht die für
lange Zeit so erfolgreichen Standorte dieser Metropolen allerdings zu einem unsicheren Terrain. Indonesien
verlegt bereits große Teile seiner Hauptstadt Jakarta. New York City und Tokio haben in den letzten Jahren
Milliarden US-Dollar in den Küstenschutz, in Dämme und Fluttore investiert.

Kai Kaschinski, Projektkoordinator von Fair Oceans, zum globalen Charakter dieser Entwicklungen: „Wir sehen
derzeit, wie viele unserer Inseln an der Nordseeküste jedes Jahr von Neuem ihre Strände aufspülen müssen.
Immer länger und mit mehr Aufwand arbeiten die Gemeinden daran, die während der Sturmflutsaison
entstandenen Schäden zu beheben. Das gleiche Problem haben Küstenorte im Senegal oder Inseln im Pazifik. Bis
Ende diesen Jahrhunderts können laut wissenschaftlicher Studien die Hälfte aller Strände der Welt verloren
gehen. Die durch den Meeresspiegelanstieg und die sich häufenden Sturmfluten zu erwartenden Probleme
werden viele andere Klimafolgen in den Schatten stellen. Am Stärksten wird es letztlich die Küsten
gemeinschaften im globalen Süden treffen, denen die finanziellen Ressourcen fehlen, um auf diese Krise
hinreichend zu reagieren.“

Die ostfriesischen Inseln und untergehende Fischerorte in Westafrika oder auf den pazifischen Inseln genießen
nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit wie die großen Weltmetropolen. Tatsächlich sind sie nicht weniger
bedroht, sondern ganz im Gegenteil. Die Zukunft ganzer Küstenregionen steht mittlerweile in Frage und nicht
umsonst nehmen die Diskussionen über die Verlegung von Infrastrukturen und die Umsiedlungen ganzer
Inselstaaten stetig zu. Untersuchungen gehen mittlerweile davon aus, dass bis zu einer Milliarde Menschen bis
zum Ende des Jahrhunderts vom Meeresspiegelanstieg und den steigenden Fluten in Mitleidenschaft gezogen
werden können.

Kai Kaschinski, Projektkoordinator von Fair Oceans, zu notwendigen Gegenmaßnahmen: „Dringend erforderlich
ist eine vorausschauende Raumplanung für die Küstenregionen, die den Meeren mehr Auslauf gibt. Tun wir dies
nicht, so verlieren wir zunehmend mehr Küstenökosysteme und gefährden Menschenleben. Die harte Wahrheit
ist, dass wir dafür unsere Siedlungen und Infrastrukturen unter erheblichen Anstrengungen weiter ins Hinterland
werden verlegen müssen. Anderenfalls blockieren Küstenstraßen, Deiche und Tourismuszentren natürliche
Anpassungsprozesse und das Halten der jetzigen Küstenlinien wird auf Dauer unabsehbar hohe Investitionen
nach sich ziehen. Zu oft wird dieser politisch überaus brisante Punkt ausgeklammert. Doch, je früher wir
vorausschauend planen und je stärker wir dabei natürlichen und technischen Küstenschutz miteinander
verbinden, um so günstiger wird dies letztlich. Wir fordern deshalb internationale Programme speziell für den
Küstenschutz, insbesondere für kleinere Küstengemeinschaften und mit geringen bürokratischen Hürden.

Tatenlosigkeit macht die Küstengemeinschaften im globalen Süden, die selbst so gut wie nichts zum Klimawandel
beigetragen haben, genauso wie die Küstenorte an Nord- und Ostsee am Ende zu den Hauptleidtragenden.“