Eine neue maritime Industrie an der Startlinie

Die Internationale Meeresbodenbehörde steht vor einer Grundsatzentscheidung zum Tiefseebergbau und zur Zukunft der Ozeane

Eine Stellungnahme von Kai Kaschinski, Projektkoordinator Fair Oceans

Seit einigen Jahren wird bei der Internationalen Meeresbodenbehörde auf Jamaika über die Zukunft der Ozeane und Meere verhandelt. Ein Umstand, der nach wie vor den wenigsten Menschen bekannt ist. Viele der Mitgliedsstaaten des UN-Seerechtsübereinkommens sind dabei, dort das Regelwerk zum Tiefseebergbau festzulegen und so einer völlig neuen Industrie den Weg zur Ausbeutung der marinen Ressourcen zu ebnen. 

Industrieller Bergbau am Meeresboden der Tiefsee würde eine neue Qualität beim Zugriff auf die Ozeane und Meere darstellen, der unzweifelhaft große Umweltzerstörungen zur Folge haben wird und die Meeresökosysteme, zusätzlich zu all den schon vorhandenen Problemen, dauerhaft belasten wird. Das große Versprechen ist, dass mit dem Tiefseebergbau die Nutzungsoptionen für die Ressourcenquellen der Zukunft verhandelt werden, denn die Vorkommen in der Tiefe sind enorm und die Technik sie zu heben ist vorangeschritten. Laut Seerechtsübereinkommen sind die Bodenschätze am Meeresboden der von der Meeresbodenbehörde verwalteten Hohen See das gemeinsame Erbe der Menschheit. In gewissem Sinne also ist es ein typischer Erbrechtsstreit. Manche Erben wollen das Erbe bewahren, andere wollen es verscherbeln und möglichst großen Gewinn daraus machen.

 

Verhandlungen unter großem Druck

Jetzt im Juli wurden diese Verhandlungen fortgesetzt. Im Zuge der wachsenden zivilgesellschaftlichen Kritik am Tiefseebergbau, seinen Gefahren und den ihm zugrundeliegenden ökonomischen Strategien haben sich zunehmend mehr Staaten für eine Entschleunigung des Entscheidungsprozesses ausgesprochen und lehnen einen Start des Tiefseebergbaus in nächster Zeit ab. Vor allem soll Zeit gewonnen werden, um die Umweltfolgen des Bergbaus in tausenden von Metern Tiefe besser beurteilen zu können. Andere Staaten und auch die Meeresbodenbehörde selbst drängen hingegen auf eine schnelle Verabschiedung eines möglichst wirtschaftsfreundlichen Regelwerks, das den Tiefseebergbau attraktiv und gewinnversprechend machen soll. Tiefseebergbau wird als Risikoinvestment charakterisiert, bei dem hohe Gewinnmargen gerechtfertigt sind. Ein Antrag des Inselstaates Nauru, hinter dem letztlich das Unternehmen The Metals  Company und dessen Subunternehmen Nauru Ocean Resources steht, hat vor zwei Jahren mit einem formalen Antrag eine Frist gesetzt, die den Druck auf den Verhandlungsprozess drastisch erhöht hat und die Einführung des Tiefseebergbaus in diesem Jahr sicherstellen soll. Diese Frist war Anfang Juli abgelaufen und die Befürworter*innen haben daran gearbeitet, eine Mehrheit in den Gremien der Behörde auf sich zu vereinen, die auf Basis des Antrags schon vor einer Einigung auf ein internationales Regelwerk den Start des Tiefseebergbaus zulässt.

Auch nach dem Ende der Gremiensitzungen der Behörde jetzt im Juli sind die letzten Würfel zwar noch immer nicht gefallen, aber wichtige Entscheidungen sind bereits gefallen. Der innerhalb der Behördenstrukturen zentrale Rat hat sich nun selbst eine Frist gesetzt und beschlossen, bis 2025 das Regelwerk abzuschließen. Inzwischen dürfen bereits Anträge zum Abbau gestellt werden. Mit der Verlängerung der Verhandlungen ist der Rat den kritischen Stimmen ein Stück entgegengekommen. Letzten Endes hat sich der Spielraum für ein Moratorium oder eine wirksame Entschleunigung des Tiefseebergbaus damit jedoch deutlich verringert. Die Kombination von absehbarem Verhandlungsende auf der einen und Antragstellungen, die später bevorzugt behandelt werden, auf der anderen Seite wirkt wie eine Richtungsentscheidung. Es gibt nun einen groben Zeitplan zur Einführung des Tiefseebergbaus auf Basis eines Beschlusses der Internationalen Meeresbodenbehörde. Hier auf den letzten Metern eine Wende herbeizuführen, wird enormen politischen Druck und Verhandlungsgeschick erfordern. Dementsprechend hatte der Präsident von Nauru, Russ Joseph Kun, während seiner Rede im Rahmen der Generalversammlung laut Earth Negotiations Bulletin ein lachendes und ein weinendes Auge, wobei aber die Zuversicht zu überwiegen schien: „… Kun … expressed disappointment that the ISA is not adopting the RRPs for deep-sea mining within the two-year deadline. He welcomed last week’s Council decisions, highlighting strong political commitment to fulfill its obligations and adopt the regulations during the 30th session of the ISA in 2025.“

 

Mineralische Rohstoffe aus der Tiefsee für die Klimawende – ein Trugschluss

Vor Beginn der Juli-Sitzungen war der Wert der Aktien von The Metals Company drastisch gestiegen, nachdem diese Ende 2021 abgestürzt und fast wertlos geworden waren. Hätte ein sofortiger Start des Tiefseebergbaus eine Mehrheit gefunden, wären große Spekulationsgewinne für die Investor*innen möglich gewesen. Jenseits aller formalen Fragen zu den rechtlichen Regulierungen des Tiefseebergbaus im Bereich des Umweltschutzes, des Finanz- und Kontrollsystems, die auf der Agenda der Internationalen Meeresbodenbehörde stehen, werden es schlussendlich die ökonomischen Rahmenbedingungen sein, die über die Dynamik im Tiefseebergbau entscheiden. Dabei handelt es sich um eine schlichte Preisfrage und geopolitische Entscheidungen.

Aktuell argumentieren die Befürworter*innen gerne, dass der Tiefseebergbau gebraucht wird, um weltweit genügend Metalle für die Klimawende zur Verfügung zu haben. Davor wurde bereits mit der angeblichen Umweltfreundlichkeit des Tiefseebergbaus und dessen möglichen Beitrag zur Rohstoffsicherheit argumentiert. Tatsächlich ist der letzten Endes entscheidende Punkt jedoch, zu welchem  Preis die verschiedenen Vorkommen an Land oder auf See gewinnbringend ausgebeutet werden können. Auf dem Weltrohstoffmarkt müssen die Erze aus der Tiefsee mit allen anderen Angeboten konkurrieren. Ist der Weltmarktpreis auf einem Niveau, das die Tiefseeerze konkurrenzfähig macht, werden diese ökonomisch interessant. Diese wirtschaftlichen Dynamiken sind mit Blick auf die Offshore-Förderung von Öl und Gas seit geraumer Zeit nachzuverfolgen. Ersetzen wird der Tiefseebergbau den Landbergbau in diesem Szenario nicht. Auch die rohstoffpolitischen und menschenrechtlichen Probleme im Bergbau werden damit nicht gelöst. Der neue Sektor der Branche wird zunächst einzig und allein das auf dem Weltmarkt verfügbare Angebot von bestimmten Metallen steigern. Mittelfristig kann so nach dem Aufbau größerer Kapazitäten am Meeresboden der zu erwartende Anstieg des Weltmarktpreises von Metallen abgebremst werden. In diesem Kontext kann der neue Industriezweig auf längere Sicht sogar zu Einnahmeeinbußen für die meisten rohstoffexportierenden Staaten führen. Solange sich die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen nicht verringert, kann das Angebot von Erzen aus der Tiefsee auf dem Weltmarkt einen an sich aufgrund von zunehmender Verknappung der Vorkommen an Land, steigenden Förderkosten sowie ökologischem Missmanagement zu erwartenden Preisanstieg abbremsen.

Die Erschließung der Tiefsee als Rohstoffquelle würde also dazu beitragen, die Weltmarktpreise für die Importeure langfristig zu stabilisieren und zugleich die problematischen ökonomischen Rahmenbedingungen der Bergbauindustrie im Rahmen der Blue Economy zu verfestigen. Ein struktureller Vorteil für die Importeure von Metallen und die Industrieländer. Schon Verschiebungen von nur wenigen Prozent können ökonomisch enorme Auswirkungen haben. 2018 erwirtschafteten die Minenkonzerne weltweit 683 Milliarden US-Dollar. Der Wert der Raffinadenproduktion lag mit 1,844 Milliarden US-Dollar noch weit darüber. Verschiedene Studien legen nahe, dass die riesigen Metallvorkommen am Meeresgrund derzeit nicht notwendig sind, um die globale Rohstoffversorgung zu gewährleisten. Vielmehr werden schon heute viele der planetaren Grenzen ohnehin überschritten und der Umweltzustand der Biosphäre ist in vielerlei Hinsicht kritisch. Statt mit dem Tiefseebergbau eine weitere globale Umweltbelastung einzuführen und Meeresökosysteme zu zerstören, könnte also eine Reformierung des Bergbaus an Land und der Umbau der Rohstoffpolitik deutlich sinnvoller sein. Es könnten generell Einsparungen beim Verbrauch vorgenommen werden, die Kreislaufökonomie könnte gefördert oder die Recycling- und Reparaturfähigkeit von Produkten verpflichtend gemacht werden. Am Ende steht die Entscheidung im Raum, inwiefern es die Bereitschaft gibt, auf die Vorkommen im Meeresboden zu verzichten und stattdessen eventuell für eine Tonne nachhaltig gefördertes Erz einen Aufpreis zu zahlen oder diese Tonne schlicht einzusparen. Demgegenüber steht, wie bei vielen aktuellen Debatten um den Umwelt- und Klimaschutz, der starke Drang zum Weiterso mit möglichst wenigen Veränderungen zum Üblichen. Für viele Interessensgruppen ist die Idee vom ungebremsten Wirtschaftswachstum, das durch technische Innovationen und neue Ressourcenquellen gespeist wird, immer noch die oberste Maxime.

 

Entwicklungsländer als Türöffner für multinationale Unternehmen

Die momentan vielleicht größte Gefahr ist jedoch, dass sich die politische Aufmerksamkeit auf die Aussetzung bzw. den Start der Fördervorhaben auf der Hohen See konzentriert, während andere, ebenfalls weitreichende Entwicklungen beim Tiefseebergbau aus dem Blick geraten. So ist zu beobachten, dass parallel die Aktivitäten seitens der maritimen Bergbauunternehmen in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen wieder zunehmen. Diese können sich dadurch Hintertüren offenhalten, sollte ihnen die Hohe See zu lange verschlossen bleiben. Unter anderem Entwicklungen wie in Papua-Neuguinea zeigen dies. Nachdem der erste Versuch scheiterte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes, in einer der ökologisch wertvollsten Meeresregionen der Welt das erste Abbauvorhaben in der Tiefsee auf den Weg zu bringen, gibt es nun Anzeichen dafür, dass ein erneuter Anlauf in der Bismarcksee geplant ist.

Die vor Ort aktive Alliance of Solwara Warriors erklärte ihren Widerspruch zu den aktuellen Überlegungen der Regierung von Papua-Neuguinea, ein weiteres Mal Tiefseebergbau in ihrer maritimen Wirtschaftszone zu genehmigen. Ihrer Meinung nach müsse die Regierung die Erteilung von marinen Bergbau- und Explorationslizenzen zumindest solange ablehnen, wie bei der Internationalen Meeresbodenbehörde noch die Richtlinien für Fördervorhaben verhandelt werden. Doch der Anreiz, die internationalen Regelwerke und Prozesse in nationalen Gewässsern zu umgehen, ist groß. Gerade hat das Industrieland Norwegen diesen Weg eingeschlagen – und auch Japan ist seit Längerem dabei den Tiefseebergbau in heimischen Gewässern vorzubereiten.

Die Interessen am Tiefseebergbau im industrialisierten Norden sind aber grundsätzlich anders gelagert als in den Insel- und Küstenstaaten des globalen Südens. Dort ist der Druck durch Verschuldung, Klima- und Wirtschaftskrisen enorm und die Staaten müssen sich Perspektiven erhalten, die ihre Existenz sichern. In Norwegen und Japan ist dies nicht der Fall. Hier stehen die Zukunftsoptionen und die Konkurrenzfähigkeit auf dem globalen Markt im Vordergrund. Während Industrieländer also auf erschwingliche Metalle aus dem Meer für die Warenproduktion setzen, erhoffen sich gerade einige der Kleinen Inselentwicklungsländer vom Tiefseebergbau dringend benötigte Einnahmen aus der Lizenzvergabe und dem Rohstoffexport für ihren Staatshaushalt. Eine Rollenverteilung, die den neuen Industriezweig aufgrund der verkrusteten, ungleichen Strukturen der Rohstoffwirtschaft und des notwendig hohen technischen und finanziellen Aufwands für Fördervorhaben in der Tiefsee wahrscheinlich auf Dauer kennzeichnen wird. Weltweit verfügen nach wie  vor nur wenige Länder über die notwendigen Kapazitäten, um eigenständig in der Tiefsee aktiv zu werden oder auch nur eine unabhängige Überwachung eventueller Projekte durchzuführen. Länder des globalen Südens müssen sich dementsprechend damit begnügen, maritimen Bergbaukonsortien auf Basis des Seerechtsübereinkommens bei der IMB stellvertretend Abbaulizenzen zu verschaffen oder diesen Schürfrechten direkt in ihren AWZs gewähren. Dafür erhalten sie Förderabgaben sowie eventuell eine Beteiligung am Handel mit den gewonnenen Erzen. Eigene Industrien werden nicht aufgebaut.

Entwicklungsländer werden so schlicht zu Türöffnern für den Zugang zur Tiefsee für multinationale Unternehmen. Ein weiteres Mal kommen die Ressourcen für die Konsumansprüche der Industrienationen und den Schwellenländern aus dem globalen Süden und die Gesellschaften dort müssen den Preis für ihre Abhängigkeit vom Rohstoffmarkt, auftretende Umweltfolgen und soziale Ungleichheit zahlen. In der Konsequenz weitet der Tiefseebergbau damit die Dominanz der Industriestaaten und der großen Player in der Rohstoffwirtschaft aus, während sich die strukturelle Abhängigkeit des globalen Südens weiter vertieft. Mit ihrer Kampagne „An Ocean Of Opportunity“ und entsprechenden Workshops im globalen Süden und in den Inselstaaten bezieht die Internationale Meeresbodenbehörde eindeutig Stellung im Für und Wider zum Tiefseebergbau. Die Botschaften der Behörde stellen in erster Linie finanzielle Gewinne in Aussicht und werben mit ihrer Art der Präsentation um eine unreflektierte und kritiklose Zustimmung zur Einführung des Tiefseebergbaus. Im Endergebnis verfestigt die Behörde auf diese Weise die fragwürdige Rollenverteilung in der maritimen Rohstoffpolitik. „UNCLOS has substantially improved the legal situation of SIDS in the law of the sea by securing for them exclusive rights to living and non-living resources in adjacent maritime areas, which provides critically important revenues. … It may be presumed that SIDS will be very high up on the list of beneficiaries once ISA is in a position to distribute economic benefits from deep-seabed mining and from exploitation of the continental shelf beyond 200 nautical miles by other coastal States.“

Ein Ausdruck dieser Strategie sind die schon verschiedentlich unterzeichneten Memoranden of Understanding, wie zuletzt das während der Generalversammlung der ISA vorgestellte und mit dem „International Relations Institute of Cameroon“ vereinbarte Dokument. Dieses soll speziell die afrikanischen Staaten für die Chancen sensibilisieren, die der Tiefseebergbau bietet, und ihnen zudem notwendiges Wissen vermitteln, um sich am Wettlauf um die Meeresschätze beteiligen zu können. Auch hier wird offensichtlich vor allem auf die Zustimmung der angesprochenen Staaten zum Tiefseebergbau gezielt, da weder Finanzmittel zum Aufbau eigener Industrien fließen noch ein konkreter Technologietransfer stattfindet.

Trotz der jüngsten Entscheidungen bei der Behörde und der politischen Zuspitzungen wird sich die Mehrzahl der Kritiker*innen des Tiefseebergbaus aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin konstruktiv an den Verhandlungen beteiligen und beschreitet damit und mit ihrer Konzentration auf Umweltfragen und die Hohe See einen nicht unproblematischen Weg. Einerseits ist das wichtigste Gegenargument zu einem Schnellstart des Tiefseebergbaus nicht unbedingt die intensivere Erforschung der Biologie der Ozeane und die Definition von guten Umweltstandards für den maritimen Bergbau. Das Argument ist unzweifelhaft korrekt und sollte an sich hinreichend zur Begründung eines Moratoriums sein, dennoch bildet es nicht die Gesamtproblematik der Verhandlungen ab. Damit ist seine politische Wirksamkeit fraglich. Andererseits eröffnet die Ausformulierung des Vertragswerks im schlechtesten Fall Tür und Tor für die Definition unzureichender Standards und einen späteren Start des Tiefseebergbaus unter der Maßgabe des Einsatzes sogenannten bestmöglichen Wissens und bestmöglicher Technik. Die fortgesetzte Beteiligung an den Verhandlungen wird schlüssiger Weise damit begründet, dass ansonsten allein die Befürworter*innen die Regeln bestimmen würden, nichtsdestotrotz stellt die fehlende Datenbasis auch gut gemeinte Umweltregelungen auf ein unsicheres Fundament und der Tiefseebergbau wird selbst mit den stärksten Vorgaben zum Meeresschutz schlussendlich ein Desaster sein.

 

Verteilung des gemeinsamen Erbes der Menschheit

Die Alternative zu einem Schnellstart des Tiefseebergbaus ist also gar nicht unbedingt die intensivere Erforschung der Biologie der Ozean und die Definition von guten Umweltstandards für den maritimen Bergbau. Alle Ansätze, die den Tiefseebergbau teuer machen und eine gerechte Rohstoffpolitik in den Vordergrund stellen, sind in dieser Situation vielleicht in pragmatischer Hinsicht sinnvoller und erfolgversprechender. Es geht schließlich um die Verteilung des gemeinsamen Erbes der Menschheit. Es gibt keinen Grund, die Gewinne aus diesem Erbe an eine Hand von Unternehmen und Risikoinvestor*innen zu verschenken. Warum soll die Weltgemeinschaft nicht vom Tiefseebergbau profitieren. Die Festlegung der Höhe der Abgaben an die Behörde steht noch aus. Eine Versorgung mit gesundem Wasser für alle, denen heute ein solcher Zugang fehlt, könnte zum Beispiel das Ziel des Verkaufs der Ressourcen vom Meeresboden sein. Auch der Umfang des im Seerechtsübereinkommen vorgesehenen Fonds zum Ausgleich von eventuellen Verlusten der rohstoffexportierenden Staaten an Land durch das Angebot von Mineralien vom Meeresboden auf dem Weltmarkt könnte hochgeschraubt werden. Viele rohstoffexportierende Staaten müssten daran grundsätzlich ein Eigeninteresse haben.

Einen ähnlich negativen Effekt auf die Wirtschaftlichkeit der Vorhaben könnte ebenfalls die Durchsetzung verantwortungsbewusster technischer und formaler Anforderungen an den Tiefseebergbau haben. Ein solcher Punkt wäre beispielsweise die Kontrolle der Förderschiffe und ihrer Arbeitsprozesse. Sollten die Förderschiffe nicht verpflichtet sein, die Flagge der Staaten zu führen, die den Abbau genehmigt haben und somit das Projekt verantworten, wird hier eine rechtliche Grauzone geschaffen. Viele Reedereien nutzen seit geraumer Zeit sogenannte Billigflaggen, um Kosten einzusparen durch die Umgehung strengerer Sozial- und Umweltstandards, da die Flagge die Rechtsgrundlagen an Bord bestimmt. So könnte der für die Beaufsichtigung des Projekts und eventuell entstehende Umweltschäden zuständige Staat sich bei der Nutzung sogenannter Billigflaggen an Bord auf einem fremden Hoheitsgebiet, mit allen damit verbundenen formalen Schwierigkeiten, befinden. Am Ende sind die Aufsichtsbehörden dann auf die Kooperation des Flaggenstaates angewiesen, der seinerseits keinerlei Interesse hat mit den Problemen und Haftungsfragen des jeweiligen Bergbauprojekts in Verbindung gebracht zu werden. Ein eben solches Abhängigkeits­verhältnis entsteht, wenn die Behörde nicht über eine eigene Flotte und Tauchroboter verfügt, die sie zu unabhängigen Kontrollen ermächtigt, ohne dass sie auf die Infrastruktur und Berichte der Förderunternehmen angewiesen sind.

Wichtiger als pragmatische Ansatzpunkte im Verhandlungsprozess zu identifizieren, wird es langfristig sein, Strategien und Programme zu entwickeln, mit denen die Länder des globalen Südens endlich, viel schneller und umfassender Unterstützung zur Reaktion auf die Klima- und Wirtschaftskrisen erhalten. Deutlich mehr Mittel könnten zum Beispiel im Rahmen von Anpassungs- und Loss-and-Damage-Prozessen bei der Klimafinanzierung fließen oder auch für den Verzicht auf die Erteilung von Lizenzen in der Tiefsee.

Statt die Überschreitung der Planetaren Grenzen zu befeuern, wird dann eine nachhaltige Entwicklung der Insel- und Küstenstaaten im globalen Süden unterstützt und es reduziert sich der Druck den Tiefseebergbau als mögliche Einkommensquelle zu nutzen. Es mag manchen absurd erscheinen, im Rohstoffbereich Geld für eine Nichtnutzung zu zahlen, aber im Naturschutz ist dies schon lange eine gängige Praxis. Sollen sich nachhaltige Lösungen in der Meerespolitik durchsetzen, dann müssen Umwelt und Entwicklung Hand in

Hand gehen. Hierbei müssen den Ländern im globalen Süden Alternativen eröffnet werden, die sie aus der Rolle des Rohstofflieferanten befreien.

Eine gerechte und umweltfreundliche Rohstoffpolitik darf sich nicht nur auf Konsumfragen und den globalen Norden konzentrieren, vielmehr muss sie auch die ökonomischen Rahmenbedingungen der Förderländer im Blick haben, umgestalten und verbessern. Alles in allem wäre die nachhaltigste Lösung in Sachen Tiefseebergbau dies zu berücksichtigen und ansonsten die Mineralien da zu belassen, wo sie sich derzeit befinden, am Boden der Ozeane. Nur ein Stopp des Tiefseebergbaus ist ein umfassender Schutz der Meere und seiner Anwohner*innen.