Keine Lizenz zum Fischen

Cornelia Wilß für Fair Oceans und Brot für die Welt, Oktober 2020

Nach Kritik von Fischer*innen und Umwelt- und Fischereiverbänden haben die senegalesischen Behörden Genehmigungen für neu beantragte Fanglizenzen in großer Zahl ausländischer Fangschiffe nicht erteilt. Das Vorhaben der Lizenznehmer und das intransparente Vorgehen des Ministeriums war auf Widerstand bei Vertretern der handwerklichen Fischerei und der Zivilgesellschaft gestoßen. Mit Erfolg! Was war passiert?

Lokale Fischerei im Senegal bedroht
In der Regel vergibt die Regierung des Senegals keine Fanglizenzen an ausländische Schiffe, da die Kapazität der über 15.000 Pirogen und einiger industrieller Schiffe unter senegalesischer Flagge ausreicht, um die Gewässer vor der Küste zu befischen. Ausgenommen davon sind Fangquoten für den weiter draußen schwimmenden Thunfisch und für 1.500 Tonnen Seehecht, festgelegt im Fischereiabkommen zwischen der EU und Senegal. Im April 2020 erließ die Regierung eine Reihe von Beschränkungen, um die COVID-19-Pandemie einzuschränken. Zu diesem kritischen Zeitpunkt wurde bekannt, dass 56 Fangschiffe, darunter 50 bis dahin unter chinesischer und zwei unter türkischer Flagge fahrend, beim zuständigen Fischereiministerium die Zuteilung einer Fangerlaubnis und einer Fangquote beantragt hatten. Zwar informierte das Fischereiministerium den Beratenden Ausschuss für die Vergabe von Fanglizenzen (CCAL), ein Gremium, in dem die wichtigsten Interessenvertreter der Fischereiwirtschaft vertreten sind, per E-Mail über den Vorgang. Doch das Vorhaben der Lizenznehmer selbst, aber auch das intransparente Vorgehen des Ministeriums riefen scharfe Kritik bei Vertreter*innen der handwerklichen Fischerei und der Zivilgesellschaft hervor.
APRAPAM, eine Organisation, die sich für die Rechte der handwerklichen Fischerei im Senegal starkmacht, forderte die Regierung auf, die Lizenzanträge gründlich zu prüfen. Eine Genehmigung von Fangquoten in der beantragten Größenordnung würde die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit im Fischereisektor zurückwerfen und die Existenzgrundlagen der handwerklichen Fischergemeinden gefährden.
Bekanntlich zählt die Fischerei zu Senegals wichtigsten Wirtschaftszweigen. Sie erwirtschaftet fast zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts und machte 2018 laut Regierungsangaben etwa 17 Prozent der Exporte des Landes aus. Daran an die handwerkliche Fischerei einen großen Anteil. Exportiert werden vor allem Grundfische, teure Speisefische (Doraden, Seehecht, Zackenbarsch) sowie Krabben, Tintenfisch, Langusten und Hummer. Die unregulierten Fangaktivitäten der industriellen Fangschiffe aus der Europäischen Union, Russland und Asien der vergangenen Jahrzehnte haben diese Fangpopulationen stark dezimiert. Auch die Bestände der pelagischen Arten, die einen Großteil der Kleinfischerei in ganz Westafrika ausmachen, sind stark zurückgegangen. Pelagische Arten sind in geringerer Tiefe schwimmende Fischschwärme und unverzichtbar für die Proteinversorgung bis weit ins Hinterland der ganzen Region hinein.
Eine Piroge, die im Senegal kleine pelagische Fische fängt, sagt CAOPA, die Dachorganisation der afrikanischen Organisationen für handwerkliche Fischerei, kann vom Fang bis auf den Teller des afrikanischen Konsumenten rund hundert Personen beschäftigen. (https://caopa.org/wp-content/uploads/2020/09/200909-CAOPA-Views-from-the-African-artisanal-fisheries-sector.pdf) An der Atlantikküste des Senegal leidet die handwerkliche Fischerei bereits jetzt mit ihren weit über 15.000 Pirogen, auf denen jeweils bis zu 20 Fischer arbeiten, unter den schrumpfenden Beständen.

Der Trick mit den Lizenzen
Die Lizenzanträge berühren einen grundsätzlichen Interessenkonflikt. Sie sind der Versuch ausländischer Fangschiffe, das senegalesische Fischereigesetz zu umgehen. Fanglizenzen und Quoten werden in der Regel nur an senegalesische Fischereiunternehmen vergeben. Überall in Ländern des globalen Südens wenden aber ausländische Schiffe und deren Besitzer einen ganz legalen Trick an, um diese einheimischen Unternehmen vorbehaltenen Lizenzen zu ergattern. Sie suchen sich für wenig Geld einen einheimischen, hier einen senegalesischen Miteigentümer, und gründen eine Gemeinschaftsfirma (Joint-Venture) und lassen sich registrieren. Untersuchungen von Medien und Kleinfischerei belegen, dass die Unternehmen, die im Senegal die 50 Lizenzen beantragt hatten, sich jeweils auf ein Grundkapital von kaum mehr als 200 Euro stützen. Dennoch stellten sie Anträge auf Fanglizenzen, ohne auch nur einziges Fangschiff zu besitzen. In diesem Fall legten sie aber Leasingverträge vor, die den meist bis dahin unter chinesischer und einige unter türkischer Flagge fahrenden Schiffen erlaubt, die senegalesische Flagge zu führen.
Als Leasing-Partner würde „ausländische“ Schiffe also zukünftig für ein „senegalesisches“ Unternehmen in senegalesischen Gewässern fischen dürfen, verteidigt das Fischereiministerium deshalb sein Vorgehen. Denn schließlich würden die Lizenzen ja an senegalesische Firmen vergeben. Formal gesehen stimmt das. Allerdings sind unter den Lizenznehmern mindestens 20 Schiffe, die pelagischen Fisch fangen und über 30 Schiffe, die Seehecht fangen wollen, der bereits jetzt schon überfischt ist.
Nachdem die Kleinfischer und Medien die skandalösen Absichten des Ministeriums und der 200-Euro-Firmen offenlegten, nahmen die Proteste in der Regierungskoalition und im Parlament ebenfalls Fahrt auf. Zwar redete sich das Ministerium zunächst damit heraus, dass die Joint Ventures Investitionen in die senegalesische Fischerei seien. Doch die Tatsache, dass die Schiffe nicht ins Firmenkapital der Eigner eingetragen wurden, machte die kriminellen Absichten der ausländischen Schiffsbesitzer deutlich, sich Fanglizenzen durch Scheinfimen und Umflaggen zu erschleichen. Der Fischereiminister musste aufgrund eines breiten Sturms der Entrüstung und des Protestes auf Anraten des Staatspräsidenten verkünden, die Lizenzanträge nicht zu genehmigen.
Ausländische Schiffseigner hatten in Komplizenschaft mit dem Fischereiministerium wohl daraufgesetzt, dass Bevölkerung, Medien und Kleinfischerei so sehr von den Folgen der Beschränkungen durch Covid-19 abgelenkt wären, dass sie den großen Deal still und leise durchziehen könnten.

Erfolg der Zivilgesellschaft
Die Ablehnung der Lizenzen kann also als ein besonderer Erfolg einer wachsamen Zivilgesellschaft in besonders harten Zeiten verbucht werden, und die Auseinandersetzung geht nun weiter. Bei den Recherchen zur Lizenzvergabe stellten die Kleinfischervertreter im gemeinsamen Lizenzierungsausschuss fest, dass in den letzten Jahren schon viele Lizenzen an Gemeinschaftsfirmen in gleicher Weise vergeben worden waren. Den Skandal, dass die Lizenzanträge, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, nicht dem Beratenden Ausschuss vorzulegt wurden, verantwortet allerdings schon die Vorgängerin des aktuellen Ministers im Fischereiministerium. Bis heute sind schon über 50 Lizenzen für industrielle Fangschiffe vergeben worden, die unter Senegals Flagge immer wieder in den Gewässern vor Senegals Küste auftauchen. Aber es war nie transparent gemacht worden, auf welche Weise die Schiffe ihre Fangerlaubnis erhalten hatten.
Der Vorwurf lautet, dass die Regierung ihre eigenen Regeln verletzt hat. Das ist nun der Grund für den Kleinfischereisektor, eine Klage gegen die Regierung vorzubereiten, damit diese illegal erteilten Lizenzen in den nächsten Monaten wieder entzogen werden.
Der handwerkliche Fischereisektor will nun endlich eine hundertprozentige Transparenz, wie sie es für das existierenden Fischereigesetz bereits erstritten wurde. Konkret bedeutet das: Regelmäßig muss die Liste von senegalesischen Industrieschiffen, die eine Fangerlaubnis haben öffentlich gemacht bzw. alle an ausländische Schiffe erteilten Lizenzen müssen veröffentlich und vor Vergabe im gemeinsamen Ausschuss beraten werden. Es ist sehr widersprüchlich, wenn sich die Regierung Senegals schon 2016 damit rühmte, der in Nuakschott gegründeten internationalen Fischerei-Transparenzinitiative (FiTI) beigetreten zu sein und gleichzeitig die eigenen Transparenzregeln unterläuft. Derzeit wird über eine Reform der Kommission zur Vergabe von Fanglizenzen beraten. Sie sieht vor, regelmäßig Fangschiffe und ihre Quoten und Lizenzen offenzulegen. Das könnte, sagt Gaousso Guéye, Präsident des Afrikanischen Verbandes des handwerklichen Fischereisektors, zu einer transparenten Verwaltung des Fischereisektors beitragen und gleichzeitig den nationalen Interessen Senegals den Vorrang geben. Nur so könne verhindert werden, dass sich der „Druck auf die verbliebenen Fisch-Ressourcen erhöht, die eine Hauptquelle für eine gesunde Ernährung unserer Bevölkerung bilden“.

Quellen:
Zum Hintergrund:

https://static1.squarespace.com/static/5d402069d36563000151fa5b/t/5f48bb7726d9df489c9e3cfb/1598602125767/200727+Joint+ventures.pdf

https://www.aprapam.org/publication/initiatives/lettre-ouverte-a-son-excellence-monsieur-macky-sall-president-de-la-republique-du-senegal

https://caopa.org/wp-content/uploads/2020/04/Arrive%CC%81e-massive-de-bateaux-chinois-turcs-F.pdf

https://impactafrique.wordpress.com/2020/06/02/la-peche-en-haute-mer-chinoise-est-cinq-fois-plus-grande-questimee-selon-un-nouveau-rapport-dodi/

https://aprapam.org/publication/l-actualite-d-aprapam/arrivee-massive-de-bateaux-chinois-et-turcs-menace-sur-les-ressources-et-les-communautes-de-peche-artisanale

https://www.cffacape.org/news-blog/senegalese-civil-society-protests-against-its-government-intention-to-issue-fishing-licenses-to-54-chinese-and-turkish-vessels

Stellungnahme von Gaoussou Guéye. Délivrance de licences à 54 navires chinois et turcs: Gaoussou Guèye dénonce et suggère l’application, https://www.youtube.com/watch?v=Spff3XZceGE

https://static1.squarespace.com/static/5d402069d36563000151fa5b/t/5f48bb7726d9df489c9e3cfb/1598602125767/200727+Joint+ventures.pdf