STARK UND DOCH UNSICHTBAR – WIE FRAUEN IM FISCHEREISEKTOR FÜR IHRE RECHTE KÄMPFEN

EIN BEITRAG ZUM INTERNATIONALEN FRAUENTAG

Gemeinhin wird der Fischereisektor als eine Männerdomäne angesehen. Vor allem Männer sind es, die draußen auf See auf den Booten und Trawlern schuften, während Frauen allenfalls den Fisch zuhause verarbeiten, ihn zubereiten oder auf dem Markt verkaufen. So die gängigen Vorstellungen über die „Fischerfrauen“, die doch so viel mehr sind als die Ehefrauen ihrer Männer, die einem Beruf nachgehen, der auch heute noch als hart und „männlich“ gilt. Mehr als 60 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Kleinfischerei, viele von ihnen im globalen Süden. Tatsächlich stellen Frauen in Afrika etwa 15 Prozent der Bootsbesatzungen und 60 Prozent der Tätigen in der Verarbeitung, die keineswegs zweitrangig und auf den Haushalt beschränkt ist, sondern einen zentralen Teil des Sektors ausmacht und über umfangreiche Infrastrukturen verfügt. Doch insbesondere letztere Tätigkeiten sind oft schlecht bezahlt und schaden der Gesundheit und dem Wohlbefinden, wie viele Frauen berichten. Der Stereotyp des Männerberufs „Fischer“ mag in der Realität überholt sein. Doch der Kampf um Anerkennung und Respekt ist mühsam – wie es Frauen aus Afrika, die hier zu Wort kommen, erleben. Seit Jahren kämpfen Frauen aus dem Fischereisektor in ihren Gemeinden, in überregionalen Fischereiorganisationen und bei internationalen Konferenzen dafür, die Diskriminierung endlich zu überwinden.

Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März 2023 treffen sich aktuell Vertreterinnen und Beauftragte von Fischereiverbänden und Selbstorganisationen aus ganz Afrika in Abidjan in Cote d’Ivoire. Eingeladen in die Hauptstadt des westafrikanischen Landes hat CAOPA, der Afrikanische Verband der Kleinfischerei mit Sitz in Mbour (Senegal) (www.caopa-africa.org) Die Frauen wollen auch in diesem Jahr den Internationalen Frauentag für sich und ihre Anliegen nutzen, für mehr Sichtbarkeit und Partizipation auf regionaler, nationaler aber auch auf internationaler Bühne sorgen. Und sie fordern Solidarität von der Gesellschaft ein, in der sie leben und für die sie arbeiten, und auch von den Männern, mit denen sie leben. Es geht um Anerkennung und Beteiligung in familiären und kommunalen Entscheidungsprozessen und vor allem um Respekt für ihre Gestaltungsrolle bei der Entwicklung des Fischereisektors. Dabei beziehen sich die Frauen ausdrücklich auf den Call to action, einen Aufruf, der von den politischen Akteuren aus der Kleinfischerei initiiert wurde und auch die Rolle der Frauen in der handwerklichen Fischerei sichtbar macht. Zur Besserstellung der Frauen im Vergleich zu ihrem männlichen Familienangehörigen gehört zum Beispiel auch die Frage des Zugangs zu Geld. Diskutiert wird über die Einrichtung von Fonds, die den Frauen den Zugang zu finanziellen Mitteln erlaubten. So erklärte die Geschäftsführerin der Caisse de solidarité, Fatou Sène Diatta, in Abidjan, dass die Frauen in dem Dorf Nianing in ihrem Land Senegal jeweils 100 FCFA pro Tag (ca. 15 Cent) beiseitegelegt haben, um einen Solidaritätsfonds aufzubauen. Durch diesen konnten sie mit Unterstützung der Regierung einen Kredit mit sehr geringen Zinsen erhalten, um Fisch zu kaufen und sich gegenseitig bei ihren Geschäften zu unterstützen. Ein Beispiel, das Schule machen sollte, sagen die Frauen, die sich von CAOPA, ihrem Dachverband verstärkt Unterstützung bei der  Aneignung von Kompetenzen in Finanzfragen wünschen.

Gruppenfoto bei den Feierlichkeiten zum Internationalen Tag der Frauenrechte in der handwerklichen Fischerei am 8. März 2023 in Abidjan, Cote d’Ivoire; Foto: Aliou Diallo, CAOPA

Warum Frauenarbeit unsichtbar ist

Micheline Dion Somplehi ist Präsidentin der Union der Fischverarbeitungsgenossenschaften USCOFEPCI (Côte d’Ivoire) und koordinierte das Frauenprogramm von CAOPA seit 2015. Bei der 35. Tagung des FAO-Ausschuss für Fischerei (COFI) in Rom, welche im September 2022 stattfand, dem Internationalen Jahr der Kleinfischerei und Aquakultur IYAFA, erklärte sie bei einer Veranstaltung mit dem Fokus auf die Situation der Frauen:

In der handwerklichen Fischerei sind Frauen genauso stark vertreten wie Männer. Doch ihr Beitrag bleibt oft unsichtbar, währenddessen ihre Arbeitsbedingungen katastrophal sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierungen ein sichtbares und nachhaltiges Engagement zeigen, um sie als Hauptakteurinnen im Fischereisektor anzuerkennen, die den Ursprung zahlreicher Innovationen bilden, die eine bessere Nutzung unserer Ressourcen zum Wohle unserer Bevölkerung ermöglichen. Dazu müssen die Frauen Zugang zu Finanzmitteln, zu den Fischereiressourcen und zur sozialen Absicherung haben„.

An der Anlandestelle Mombasa

An der Anlandestelle Mombasa

 

 

Die Fischerei ist in vielen Teilen der Welt einer der wichtigsten Sektoren, der den Lebensunterhalt und die Ernährung von Millionen Menschen sichert. In Afrika, sagt die FAO, sind 5,4 Millionen Menschen in der Fischereiwirtschaft beschäftigt, die wiederum Millionen von Menschen, die oft keinen anderen Zugang zu Proteinen haben, mit wertvollen Nahrungsmitteln versorgt. Frauen sind in der gesamten Kette der handwerklichen Fischerei aktiv: Sie spielen eine Schlüsselrolle in der Ernährungssicherheit, wenn man sich vor Augen hält, dass Fisch im Durchschnitt 22 Prozent der Proteinzufuhr in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ausmacht, in den ärmsten afrikanischen Ländern sogar über 50 Prozent. In der Fachsprache ist von Vor- und Nachernte die Rede, wenn über die Hauptarbeitsfelder der Frauen gesprochen wird. Gemeint ist das Sammeln und Vorbereiten von Ködern für den Fischfang, das Ausbessern von Netzen, die Vorbereitung von Lebensmitteln für Fischereifahrten und das Führen von Büchern und Konten. Frauen sind meist auch für das Reinigen, Sortieren oder Verarbeiten von Fisch oder anderen Meerestieren wie Muscheln oder Krabben zuständig.

Pirogen am Strand von Mbour, Senegal

Frauen in Westafrika besitzen darüber hinaus sogar eigene Fischerboote und Fanggeräte; sie finanzieren die Ausfahrten vor, die ihnen den Fisch liefern und kaufen den frischen Fang an der Anlandestelle. Oder lassen ihn, wie die Kenianerin Mercy Wasai Mghanga, Gründerin der kenianischen Organisation Coastal women in fisheries entrepreneurship selbstbewusst sagt, nach Hause liefern: „Es ist doch so, dass ich diejenige bin, die sie bezahlt. Ich habe den Fischern gesagt, wenn ihr ein Geschäft machen wollt, dann kommt zu mir nach Hause. In der Zwischenzeit hatte ich zehn große Gefrierschränke gekauft, die ausreichend viel Fassungsvermögen haben, und eine Filetiermaschine, die gute Dienst leistet. Ich begann damit, den Fisch zuhause zu verarbeiten und bin zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau geworden.“ (Das ganze Interview hier)

Mit den Einnahmen aus dem Fischhandel können erfolgreiche Geschäftsfrauen dann von Neuem die Ausfahrten finanzieren oder Kredite für den Bootsbau, Reparaturen, Netze und andere Ausrüstungsgegenstände zurückzahlen. Frauen wie die „Fischmamis„, wie sie respektvoll genannt werden, haben sich auf dem harten Markt gegen die Konkurrenz durchgesetzt und erwirtschaften ein eigenes Einkommen. Als selbständige Unternehmerinnen schaffen sie überdies, Arbeitsplätze für andere Frauen und geben ihr Wissen bewusst an junge Frauen weiter.

Fischhändlerinnen, die ihre Geschäfte mit Gewinn führen, spielen eine wichtige Rolle bei der informellen Kreditvergabe. In Ghana zum Beispiel werden ganze 90 Prozent der in der Kleinfischerei anfallenden Produktionskosten von ihnen finanziert. Doch das Grundproblem schaffen weder Kredite, die auch zur Verschuldung ärmerer Haushalte beitragen können, noch der Erfolg von klugen Geschäftsfrauen aus der Welt. Viele Frauen, nicht selten alleinerziehende Mütter, arbeiten Tag für Tag – manchmal mehr als zwölf Stunden – und müssen auch noch die Zeit für die Care- oder Sorgearbeit aufbringen. Sie tragen mit unterbezahlter Arbeit unter schwierigen Umständen zum Haushaltseinkommen bei, führen den Haushalt, kochen, machen die Wäsche, kümmern sich um die Pflege kranker und älterer Menschen und die Erziehung der Kinder. Ausgerechnet sie, die Frauen, die stark sein müssen, weil ihre Arbeit körperlich anstrengend ist und ihnen die vielen Aufgaben, die sie erfüllen müssen, viel Energie abverlangt, sind das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette; sie sind verletzlich und „verwundbar“. Ihre Lebensleistung, die zum Funktionieren der lokalen Ökonomien in ihren Gemeinden beiträgt und vor Lebensbedingungen in Armut schützt, bleibt unsichtbar. Vielerorts auf der Welt sind Daten über die Rolle der Frauen und ihren Beitrag zur Kleinfischerei in den gängigen Fischereidatensystemen nicht ohne weiteres verfügbar. Dies wiederum führt dazu, dass Frauen in der Fischereipolitik und in Fischereiprogrammen schlicht übersehen werden. Fachleute sprechen von „geschlechtsblinder Politikgestaltung“. Dafür zahlen viele Frauen einen hohen Preis.

Warum Frauen das Nachsehen haben

Frauen erwarten die Ankunft der Pirogen in Joal, Senegal (Foto: Till Seidensticker)

 

Nicht selten sieht man an den Anlandestellen wie bei einem Besuch in Joal Fadiouth – einem der wichtigsten Fischereihäfen Senegals und der größte Hafen für den handwerklichen Fischfang in Westafrika – im November 2022 Frauen jeden Alters, die auf die Rückkehr der bunten Pirogen warten. Sie warten im Licht der untergehenden Sonne darauf, dass die Fischer mit fangfrischem von ihren Ausfahrten, die oft Tage lang dauern können, zurückkehren und sie ihnen Fisch abkaufen können. Doch die Geschäfte gehen schlechter, es gibt immer weniger Fisch vor den Küsten Westafrikas. Das Meer ist überfischt. Dabei waren die Gewässer dort einst berühmt für ihren Fischreichtum und die Artenvielfalt. Die kleinen kunstvoll gezimmertem Boote der traditionellen Kleinfischerei, die Pirogen, stehen in direkter Konkurrenz mit den industriellen Fangflotten aus dem globalen Norden und China. Ein Wettbewerb, der ungerechter nicht sein könnte. Ein Teil des angelandeten Fangs – die wertvollen Fische, von der Dorade bis zum Thiof, dem weißen Zackenbarsch – muss schnell auf Eis gelegt werden. Männer in Gummianzügen springen von den Booten, tragen auf ihren Schultern schwere Boxen mit dem Fisch im Laufschritt zu den Kühlräumen der Lastwagen, die in der Hafenanlage bereitstehen und die Ware nach Dakar, ins Landesinnere oder weiter weg transportieren. Von solchen Kühlanlagen können die Frauen, die in der Hitze am Strand auf die preiswerteren pelagischen Sorten wie die beliebten Sardinen warten, nur träumen. Sie müssen den Fisch, den sie den Fischern abkaufen, schnell ausnehmen, damit er nicht verdirbt. Ein großer Teil des Fischs für den lokalen Markt im Senegal wird auf langgestreckten Holzbauten/tischen nahe am Strand getrocknet, ein anderer Teil wird von den Frauen zuhause geräuchert. Eine in Westafrika übliche Methode der Konservierung. In Ghana beispielsweise wird bis zu 70 Prozent in Form von geräuchertem Fisch konsumiert. „Es sind die Frauen, die durch die Verarbeitung dafür sorgen, dass der von den handwerklichen Fischern gefangene Fisch Gold wert ist und ihren Familien und Gemeinden zugutekommt“, sagt Antonia Adama Djalo, Vizepräsidentin von CAOPA und Präsidentin des Nationalen Netzwerks der Frauen in der handwerklichen Fischerei in Guinea-Bissau (RENAMUP-GB), der landesweit 8.000 Fischhändlerinnen vertritt, und Präsidentin des Verbands der Frauenvereinigungen im Wirtschaftssektor (AMAE). Die Frauen bezahlen für die Mitgliedschaft und die selbstverwaltete Organisation tritt nach außen als Lobbyorganisation auf. Adama Djalo ist eine Frau, auf die gehört wird. Ihre Expertise ist geschätzt, seit über 25 Jahren arbeitet sie selbst in der Kleinfischerei, unterstützte die Proteste der Kleinfischer gegen die industriellen Fangflotten der EU und kämpft für bessere Arbeitsbedingungen. Natürlich lassen sich mit verbesserten Verarbeitungstechniken nicht alle Schwierigkeiten der Frauen beim Zugang zu den Märkten lösen. „Es gibt noch andere Hindernisse für unsere Verarbeitungstätigkeiten, wie zum Beispiel die Konservierung des frischen Produkts für die Verarbeitung. Hier müssen wir über neue Techniken nachdenken, wie zum Beispiel die Nutzung von Solarenergie“, sagt Adama Dijalo.

Der Einsatz von mit Solarenergie betriebenen Kühlcontainern setzt sich in Ländern wie Senegal, Côte d’Ivoire und Kenia immer mehr durch. Anfang der 2010er Jahre haben sich im Senegal mehrere Organisationen zusammengetan, um neue Öfen, den sogenannten FTT, in Zusammenarbeit mit der FAO zu entwickeln, der sich gut für handwerkliche Verarbeitungsprozesse eignet, den Einsatz von Holzbrennstoffen reduziert und die Rauchbelastung der Frauen verringert. Dabei wurde Wert daraufgelegt, dass das neue Modell auf der Grundlage bestehender, verbesserter Ofendesigns und neuer Technologien entwickelt wurde, die die Verwendung von lokal verfügbarem Zubehör fördern, das für handwerkliche Verarbeitungsprozesse geeignet ist. Auf Holz soll möglichst verzichtet werden. Die traditionellen westafrikanische Räucheröfen werden mit Brennholz befeuert, um Rauch zu erzeugen. Durch das Räuchern werden nicht nur die Verluste nach der Ernte verringert, indem die Haltbarkeit des Fisches verlängert wird, sondern es ist auch eine Tätigkeit, die in den Küstengemeinden seit Hunderten von Jahren eine zentrale Rolle spielt. Doch die herkömmlichen Öfen schaden sowohl der Gesundheit als auch dem Klima und den Küstenwäldern. „Mehr als zwölf Stunden Arbeit an unhygienischen Orten, in der Hitze und dem Rauch aus den Öfen schädigen Augen und Lungen der Frauen irreparabel, ganz zu schweigen von der Gefahr schwerer Verbrennungen. Wer will schon so ein Leben?“ (Adama Dijalo) Aber wie weit kann eine solche Technologie zu mehr Gerechtigkeit beitragen? Von der Nutzung moderner Öfen, Kühllager und Verpackungsanlagen ist ein Großteil der Frauen, die in kleinen Betrieben arbeiten, in ihrem Arbeitsalltag weit entfernt. Einige Frauen betonen zudem, dass es wichtig sei, die Erfahrungen der Frauen bei der Entwicklung angepasster Technologien nicht außer acht zu lassen., damit die neue Technologie auch in der Praxis zu einem Erfolgsmodell werden kann.

Wenn die Frauen unter sich sind, sprechen sie offen darüber, dass die Anlandestellen, an denen sie auf die Rückkehr der Boote warten, viele von ihnen vor große Herausforderungen stellt. Zum einen seien die hygienischen Bedingungen miserabel, zum anderen gäbe es zu wenig Möglichkeiten, den Fisch dort zu lagern oder zu konservieren. Vor allem junge Aufkäuferinnen und Verarbeiterinnen klagen auch darüber, dass sie an diesen Orten nicht sicher seien und sich vor sexuellen Übergriffen schützen müssten. Auch schildern die Frauen, dass sie in Verarbeitungsbetrieben, auf Märkten, entlang von Handelsrouten und an Grenzkontrollen belästigt werden. Die Angst vor einer Ansteckung mit dem HIV/Aids Virus ist groß. Margaret Nakato aus Uganda, Koordinatorin von KATOSI Women Development Trust (http://www.katosi.org/) und Ko-Präsidentin von World Forum of Fishworkers and Fishharvesters (www.worldfisherforum.org) kennt diese Probleme. Eindringlich spricht sie vom wachsenden Druck, der auf den Frauen lastet. Sie seien einem harten Konkurrenzkampf in den Fischereigemeinden ausgesetzt, da sie keine eigenen Vermögenswerte schaffen könnten, um ihre Arbeit zu professionalisieren. Vielen Frauen sei der Zugang zu sozialen Dienst- und Gesundheitsdienstleistungen, Bildung, Wasser, sanitäre Anlagen erschwert. Wie man die Situation verbessern kann? Bei einem Webinar der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen wirbt Margaret Nakato für ein spezielles auf die Frauenperspektive zugeschnittenes Programm für die Frauen am Victoria-See: „Wir haben ein Programm, um den Frauen vielfältige Einkommensmöglichkeiten zu ermöglichen. Wir machen es möglich, dass die Frauen die nötige Ausrüstung haben, also die Boote, Netze, aber gleichzeitig auch Zugang zu kleinen Krediten und Zugang zu Fisch-Verarbeitung, also zum Beispiel zur Trocknung des Fisches. Denn dann können Sie den verarbeiteten Fisch zu einem höheren Preis verkaufen. Wir bieten Ausbildungen und Seminare an, um die Entwicklung in diesem Sektor voranzutreiben, den Frauen es zu ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen und die Hürden zu überwinden.

Feierlichkeiten beim World Fisheries Day 2022 in Mombasa

 

Warum die Rollen neu verteilt werden müssen

Als sich die Vereinten Nationen 2015 auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung einigten, forderten sie im Nachhaltigkeitsziel 14b „Leben unter Wasser“ im Rahmen der Agenda 2030, den Marktzugang für die handwerkliche Fischerei zu verbessern, um den Beitrag der Fischerei zur Ernährungssicherheit zu würdigen. Doch ausreichend Fisch zu kaufen, den sie verarbeiten und verkaufen können, ist für viele Frauen zunehmend schwierig. In Ländern wie Côte d’Ivoire und Guinea-Bissau sind die Anlandungen in den letzten zehn Jahren ständig zurückgegangen. Die Fangmengen, die den Frauen zur Verarbeitung übrigbleiben, erwirtschaften aufgrund von Überfischung, Konkurrenz durch industrielle Fischerei oder Fischmehlfabriken zu wenig Einkommen. Zudem bleibt der Zugang zu den besseren Fangarten, mit den mehr Gewinn zu erzielen wäre, den meist männlichen Zwischenhändlern von Fabriken oder Exporteuren vorbehalten. Frauen, sagt die kämpferische Vertreterin der Jugendabteilung von CAOPA, Dorcas Kilola Malogho, die in Mombasa lebt und als Sekretärin für Coastal Women in Fisheries Entrepreneurship (CWiFE) Verantwortung hat, sei viel zu lange eingeredet worden, dass Männer allein das Geld verdienen, Frauen im öffentlichen Leben nicht zählten und dieses Rollenmodell müsse sich nun schleunigst ändern!

Auch Bedrohungen wie Küstenerosion aufgrund des Klimawandels können dazu führen, dass Fischverarbeiterinnen und Händlerinnen den traditionellen Zugang zu den Anlandebuchten für den Fischkauf oder zu Land für die Fischtrocknung und -verarbeitung verlieren. In Joal erzählen Frauen am Abend, an dem die Feierlichkeiten des Internationalen Tag der Fischerei 2022 zu Ende gehen, dass der Klimawandel direkte Auswirkungen auf ihre Arbeit und damit auf ihr Einkommen hat. Stürme und tagelanger Regen machten es manchmal unmöglich, den Fisch auf den Holzgestellen, die keine Schutzvorrichtungen vor Wind und Nässe habe, zum Trocknen auszulegen und zu lagern. Andere Küstengemeinden zwischen Joal und Dakar und Saint Louis ganz im Norden sind direkt von Erosion betroffen, das Meer hat teilweise die Küsten erodiert und Häuser mitgerissen, das Land an der Küste wird immer knapper. In einem kleinen Fischerort, zwischen Joal und Mbour an der Küste Senegals gelegen, hat der Ozean den Strandstreifen fast vollständig überspült und neue Verarbeitungsanlagen zerstört, so dass die Frauen, die froh über die Verbesserung ihrer Arbeit waren, jetzt wieder gezwungen sind, in einer Ecke des Dorfes an einem unhygienischen Orten auf dem Boden sitzend ihre mühevolle Arbeit zu verrichten. Nicht selten nehmen sie auch gar nicht mehr den Fisch aus, sondern pulen Krabben und Schnecken, die sie sammeln, weil ihnen das Meer (und die Konkurrenz) nicht mehr genug Fische überlässt oder Fisch unerschwinglich teuer im Ankauf ist. Die riesigen Schnecken, die wir sehen, sind in Frankreich als Delikatesse heiß begehrt und werden exportiert. Im Senegal brauchen sie aber die kleinen preiswerten pelagischen Sorten, um sich gut ernähren zu können – wie sie in den Jahrhunderten zuvor gemacht haben – doch dieser Fisch ist bald Mangelware

Da Frauen wenig eigenes Vermögen besitzen, sind sie gegen den Verlust natürlicher Ressourcen, bedingt auch durch den Klimawandel, weniger widerstandsfähig. Im Gegenteil: Sie stehen in zunehmendem Wettbewerb mit anderen mächtigeren Akteuren der „Blauen Wirtschaft“ um die Nutzung der kostbaren Ressourcen. Vor allem auch der Tourismus beeinträchtige den Zugang an den Stränden zu den Fischressourcen, so wie im Fall der Anlande- und Verarbeitungsstation von Kouléwondy in der Gemeinde Kaloum in Conakry. Menschen, die dort seit Jahrhunderten fischten und Fisch verarbeiteten, sollten das Gebiet verlassen, weil sie dem Bau eines Luxushotels im Weg waren. An diesen Skandal aus dem Jahr 2019 erinnerte Kadiatiou Banguora, die Schatzmeisterin von CAOPA in Abidjan, die aus Guinea angereist war.

Die Situation der Frauen in der Kleinfischerei würde zudem durch kulturelle Barrieren, die ihre Entscheidungsgewalt einschränkten, verschärft. Nichtsdestotrotz verfügten Frauen über Fachwissen, das der Entwicklung der Gemeinschaft und der Anpassungsfähigkeit beim Aufbau von Widerstandsfähigkeit zugutekäme, sagt Dorcas Kilola Malogho bei ihrer Präsentation beim Internationalen Frauentag. Die Kenianern Mercy Wasai ist von den Vorteilen des Co-Managements mit ihrer Regierung überzeugt. Im November 2022 bei einem Besuch des Kenya Fisheries Service anlässlich des World Fisheries Day in Mombasa, der zuständigen Behörde, die mit der Erhaltung, Bewirtschaftung und Entwicklung von Wasser- und Fischereiressourcen beauftragt ist, sagt sie, dass die neuen Maßnahmen und Investitionen der Regierung die Frauen im Fischereihandwerk eher unterstützen als ausbremsen. Die Frauen hätten ab jetzt die Möglichkeit, den Beifang, den die Industrieboote an Land bringen, zu verarbeiten und zu verkaufen, weil die Regierung den Frauen bessere technische und räumliche Infrastruktur zur Verfügung stelle. Zum Beispiel Gefriertruhen, Filetiermaschinen und kleine Läden. Viele Frauen lebten in Mombasa und Umgebung von einem Dollar am Tag, weil sie keine Möglichkeiten hätten, den Fisch über mehrere Tage frisch zu halten. „Sie leben von der Hand in den Mund“. Doch „Wir sind auf dem richtigen Weg, denn wir haben so lange gekämpft. Es gibt immer einen Interessenkonflikt zwischen der Regierung und der Gemeinschaft. Aber wir sind jetzt hier, um den Konflikt zu bewältigen oder zu kontrollieren. So haben wir die Möglichkeit, ein sehr großes Lagerhaus zu bauen, in dem die Frauen ihre eigenen Läden haben können. Und die Regierung wird uns auch dabei unterstützen, den Ankauf des Beifangs zu ermöglichen und ihn für uns zu lagern, falls es zu einem hohen, saisonalen Fischaufkommen kommt: Dann stünde der Beifang den Frauen das ganze Jahr über zur Verfügung.“

Das alles, gibt sich Mercy Wasai hoffnungsvoll, wird die Situation der Frauen verändern. Und eine wichtige Voraussetzung für alle, die effektiv in innovative Aktivitäten von Frauen investieren wollen, ergänzt Oulou Monique Deborar Gnene, Vizepräsidentin von FENASCOOP-CI aus dem Gastgeberland der diesjährigen Frauenzusammenkunft, „unsere Aktivitäten besser zu verstehen, weshalb Statistiken über den Sektor gut dokumentiert werden müssen und Analysen der Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Initiativen geschlechtersensibel sein müssen.“

Bei einer Konferenz in Mbour (Senegal) anlässlich der jährlichen Feierlichkeiten zum Internationalen Tag der Fischerei, der von CAOPA im November 2021 organisiert worden war, hatten sich die Frauen erschöpft davon gezeigt, immer wieder von Neuem ihre Rechte einklagen zu müssen. Sie forderten einmal mehr, Geschlechtergerechtigkeit ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen, wenn es um eine Neuordnung des Kleinfischereisektors geht. Was auf dem Papier gut klänge, sei in der Praxis kaum erreicht, beschwerte sich damals auch Micheline Dion:

„ […]. Wir fordern unsere Staaten auf, sich entschlossen für eine nachhaltige und transparente Bewirtschaftung unserer Fischereiressourcen einzusetzen, denjenigen, die zur Ernährungssicherheit unserer Bevölkerung beitragen, vorrangigen Zugang zu gewähren und sowohl Männer als auch Frauen aus dem handwerklichen Fischereisektor in diese Bewirtschaftung einzubeziehen.“

Selbst elementare Grundrechte wie Zugang zu Trinkwasser, Strom, Kanalisation und sanitären Anlagen an den Verarbeitungsstandorten seien ihnen verwehrt. Sie fordern die politisch Verantwortlichen auf, für menschenwürdige Wohnungen und Kindertagesstätten in der Nähe der Verarbeitungsstandorte zu sorgen. Außerdem drängen sie auf Schulungen im Umgang mit neuen Technologien.

Grundsätzlich geht es um viel, um nicht weniger als die Überwindung traditioneller Rollenmuster in patriarchalisch geprägten Gesellschaften. Die Frauen wollen aktiv sein, sich in Berufsorganisationen und Entscheidungsprozesse einmischen, auch bei Entscheidungen im Fischereimanagement, die traditionell von Männern getroffen werden. Die Senegalesin Khady Diop, CAOPA Programmleiterin, formulierte es so:
„Geschlechterungleichheit zu hinterfragen, bedeutet nicht, ein Geschlecht (Mann oder Frau) zu bevorzugen, sondern jeder und jedem den Platz zu geben, der ihr oder ihm im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge Einkommen und soziale Teilhabe sichert. Dabei müssen aber dennoch vor allem die Frauen im Sektor unterstützt werden, um die Diskriminierung beim Zugang zu den besseren Fangqualitäten zu überwinden.“ Deutlich beziehen auch die Autorinnen eines bereits 2017 erschienenen Handbuchs der FAO „Towards gender-equitale small-scale fisheries governance and development“ Position. „Die Veränderungen in der Kleinfischerei zwingen die Frauen zunehmend dazu, ihre traditionellen Rollen neu zu definieren und zu verändern. Sie müssen sich mehr Raum im Haushalt und in häuslichen Bereich schaffen, um neue Optionen für ihren Lebensunterhalt zu ergreifen.“ Das Handbuch liest sich als ein wichtiges Dokument für den Kampf für eine geschlechtergerechte Kleinfischerei. Es bezieht sich auf die Ziele und Prinzipien der „Freiwilligen Leitlinien für die Sicherung der nachhaltigen Kleinfischerei im Kontext von Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung (VG-SSF/SSF-Leitlinien)“, die der wichtige FAO-Fischereiausschuss (COFI) im Juni 2014 verabschiedet hatte. Diese beruhen auf einem menschenrechtsbasierten Ansatz. Politik und Gesetzgebung müssen die Gleichstellung von Frauen unterstützen. Darauf warten Millionen von Frauen in der Kleinfischerei – nicht nur in Afrika. Dafür kämpfen sie! Und ihre Stimmen werden nicht mehr verstummen!

Literatur:

Der Text ist eine für Fair Oceans überarbeitete und ergänzte Version eines Beitrags von Cornelia Wilß für Brot für die Welt.

Fotos (wenn nicht anders angegeben): Cornelia Wilß